Bühne frei für Respekt
Das Modellprojekt führte Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen Anhalt e. V. im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT.“ durch. Sachsen-Anhalt ist in weiten Teilen ländlich und kleinstädtisch geprägt. Eine lebendige und demokratische Zivilgesellschaft ist oft nur in Ansätzen entwickelt. Zugleich sind bei großen Teilen der Bevölkerung rassistische, autoritäre und fremdenfeindliche Einstellungsmuster festzustellen. Hier knüpfen Rechtsextreme mit ihrer Themensetzung und ihren Aktivitäten an. Ihre Angebote sind vor allem dort attraktiv, wo demokratische Angebote fehlen. Gerade Jugendliche finden im jugendkulturellen Rechtsextremismus eine vielfältige Erlebniswelt vor: Musik, Kleidung, Sport, Partys, Action. Auch das Ausleben von Macht und Einschüchterung spielt hier eine Rolle. Aus dieser Beobachtung heraus entstand der Ansatz, politische Bildungsarbeit mit lebensweltlich attraktiven Präventionsangeboten für rechtsextremistisch gefährdete und orientierte Jugendliche zu entwickeln und durchzuführen. Das Projekt förderte bei den Teilnehmenden die Möglichkeit, Erfahrungen von Demokratie und Mitbestimmung zu sammeln, um aktiv einen Prozess der Mitgestaltung und des Erlebens von Selbstwirksamkeit zu befördern. Methodische Ansätze der politischen Bildungsarbeit wurden mit Demokratie- und Menschenrechtserziehung und kultur- und kunstpädagogischen Elementen zu einer Einheit verknüpft. Das Projekt konzentrierte sich auf die Arbeit mit mehreren festen Gruppen über mehrere Monate.
Ablauf
Die Projektarbeit wurde in der offenen Kinder- und Jugendarbeit durchgeführt (Freizeitbereich), in Jugend(haft)anstalten, in Jugend(hilfe)einrichtungen mit schulabsenten Jugendlichen (Schnittstellen zwischen schulischer und außerschulischer Jugendarbeit) und in Schulen (vorrangig Förderschulen). Die praxisbezogenen und kreativen Ausdrucksformen wie Theater, Film, künstlerisches Gestalten und Musik kamen dabei mit verschiedenen Methoden der politischen, demokratischen, menschenrechtlichen, erlebnispädagogischen und kulturellen Bildungsarbeit zur Anwendung, wurden zusammengeführt und weiter entwickelt. Die Projektarbeit verband kulturelle Methoden mit einer politischen Auseinandersetzung und setzte exemplarisch die Geschichten, Ideen und Vorstellungen der Jugendlichen um. Das erforderte eine langfristige und intensive Projektarbeit und enge Kooperationsbeziehungen zu den einzelnen Einrichtungen. Das Projekt machte Demokratie und Menschenwürde erlebbar für rechtsextremistisch gefährdete und orientierte sowie aktionistisch orientierte Jugendliche. Wichtiges Lernfeld für demokratische Umgangsformen und Entscheidungsprozesse waren dabei die Prozesse in der Gruppe, sie wurden als Anknüpfungspunkte für politische Auseinandersetzungen genutzt. Parallel dazu begleitete das Projekt die beteiligten Pädagog/-innen und bot methodische Fortbildungen an.
Ein Schwerpunkt der vornehmlich erfahrungs- und prozessorientierten Angebote bestand in der Schaffung von sogenannten Selbstwirksamkeitserfahrungen, in der praktischen Erlebbarkeit demokratischer Prozesse, Stärkung von Empathiefähigkeit und von Reflexionsprozessen. Prozesse in der Gruppe wurden als wichtiges Lernfeld für demokratische Umgangsformen und Entscheidungsprozesse genutzt. Dazu wurden außerhalb und innerhalb des Unterrichts gemeinsam mit den Jugendlichen verschiedene Module erarbeitet.
Gelingensfaktoren
Dort wo vorhandene Strukturen vor Ort in die Projektarbeit eingebunden werden konnten, wurde eine Verankerung im Sozialraum erreicht und konnten Konzepte der praxisbezogenen Bildungsarbeit kontinuierlich erprobt werden. Pädagogische Arbeit gegen Rechtsextremismus zielt auf unterschiedliche Gruppen und setzt daher differenzierte Konzepte voraus. Dabei liegen Prävention und Interventionsmaßnahmen mitunter dicht beieinander und gehen ineinander über. Die Einübung demokratischen Handelns und die Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus erfordern Kontinuität und Langfristigkeit. Bildungsarbeit ist auch Beziehungsarbeit und bedarf eines emotionalen Zugangs zur Zielgruppe. Die Projektarbeit setzt an der Lebenswirklichkeit und den individuellen Lebenserfahrungen der Teilnehmenden an. Sie sind Subjekt des Handelns. Ohne ihre aktive Teilnahme ist ein Projekt nicht möglich. (Sozial)Pädagog/-innen, Erzieher/-innen und Eltern sind diejenigen, die meist täglich mit den Jugendlichen zu tun haben. Sie sind es, die zwingend „mit ins Boot geholt“ werden müssen, um nach bzw. zwischen dem Projekt die Weiterentwicklung der Jugendlichen zu begleiten und an ihrem Wachstum anzusetzen. Auch muss die Teilnahme am Projekt freiwillig sein. Schließlich sollte die eigene Haltung stets reflektiert werden.
Lessons Learned
Unabdingbar war es erstens, möglicherweise unterschiedliche Auffassungen über die Wichtigkeit des Themas zwischen Einrichtung und Projektträger zu klären und Ziele offen auszusprechen. Hier musste berücksichtigt werden, inwieweit die Ziele der Einrichtung mit den Zielen des Projektträgers im Einklang standen, ob in der Vorbereitung überhaupt gemeinsame Ziele festgelegt wurden oder statt dessen stillschweigend davon ausgegangen wurde, gemeinsame Ziele zu haben. Zweitens war für die bestmögliche Umsetzung des Projektes die Kommunikation in der Einrichtung von großer Bedeutung, d. h. mit wem aus dem Kollegium / Team der Einrichtung der Projektträger zusammengearbeitet wurde. Hier stellte sich die Frage, ob die Pädagog/-innen der Einrichtung über Bedeutung, Ziele und Aufgaben des Projektes informiert waren und sie einer Zusammenarbeit (freiwillig) zustimmten oder ob sie verpflichtet wurde, am Projekt teilzunehmen. Drittens war es schwierig, die Teilnehmer/-innen über einen längeren Zeitraum aktiv im Projekt zu engagieren, wenn ihnen und der Einrichtung der Nutzen des Projektes nicht klar war.