Mit Rechtsextremisten reden?
Schwerpunktheft der Zeitschrift "Interventionen. Zeitschrift für Verantwortungspädagogik" (2012:1)
Inhalt
In dem Schwerpunktheft wird der Ansatz der Verantwortungspädagogik® von verschiedenen Perspektiven aus in theoretischen Reflexionen beleuchtet und mit konkreten Handlungsanreizen präsentiert. Dieser Ansatz wurde beim Violence Prevention Network entwickelt. Als roter Faden zieht sich durch alle Beiträge die Prämisse, dass professionelle Jugendsozialarbeit rechtsextremistisch orientierte Jugendliche nicht als Gegner oder Feinde betrachten darf. Michael Kohlstruck gibt beispielsweise zu bedenken, dass durch die Fremdzuschreibung „Rechtsextremist“ eine innere Heterogenität der rechtsextremistischen Szene verdeckt wird. Als Säulen einer gelingenden Jugendsozialarbeit mit dieser Zielgruppe stellt er Krisenunterstützung, Unterstützung zu biographischer Selbstreflexion, erlebnisgestützte Selbst- und Gruppenstärkung sowie Bildungsarbeit vor.
Diese Säulen finden sich in dem von Thomas Mücke vorgestellten Trainingsprogramm „Verantwortung übernehmen – Abschied von Hass und Gewalt“ wieder. Dieses wird als eine Methode präsentiert, die geeignet ist, dass ideologisch motivierte Gewalttäter ihr Gewaltverhalten verstehen und ändern lernen. Dabei wird sowohl auf der Einstellungs- wie auch auf der Verhaltensebene angesetzt. Grundlage ist wiederum die wertschätzende Akzeptanz der Teilnehmer/-innen; nicht die Person, sondern die Tat wird abgelehnt. Das Programm ist über einen Zeitraum von bis zu anderthalb Jahren angelegt und kombiniert Gruppensitzungen während der Haft mit Einzelbetreuung unter Einbeziehung des Umfeldes in der Resozialisierungsphase nach der Haftentlassung.
Ulrich Dovermann diskutiert in seinem Aufsatz den Umgang mit rassistischen und rechtsextremistischen Äußerungen im Alltag. Er problematisiert dabei, dass das Gespräch mit Rechtsextremisten im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht vorgesehen sei. Die auf Stärkung der Zivilgesellschaft fokussierenden Ansätze lehnt er dabei keineswegs ab, zeigt jedoch deren Schwächen und Grenzen auf.
Komplettiert wird das Spektrum des Schwerpunkthefts durch sozialpsychologische Reflektionen zur Attraktivität des Nationalsozialismus sowie dem Aufzeigen von Kontinuitäten im rechtsextremistischen Selbstverständnis.
Anwendungsbereich
Der Fokus des Schwerpunkthefts liegt auf der Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten, straffällig gewordenen Jugendlichen im Jugendstrafvollzug. Zugleich bieten sich die Reflexionen für jegliche pädagogischen Arbeitsfelder an, in denen Pädagog/-innen in Kontakt mit der Zielgruppe rechtsextremistisch orientierte Jugendliche kommen können. Die Zeitschrift versteht sich als theoretischer Diskursraum für pädagogische Fachkräfte in der Jugendsozialarbeit, ist mit diesem Anspruch auch für Wissenschaft sowie eine breite, thematisch interessierte Fachöffentlichkeit von Interesse.