Acht Jahre danach
Das Projekt „…Film ab!“ wird von der ver.di Jugendbildungsstätte Berlin-Konradshöhe e.V. in Kooperation mit dem Arbeitskreis Bildungsbausteine gegen Antisemitismus im Rahmen des Bundesprogramms „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ durchgeführt. Vertreter/-innen aus Medien, Wissenschaft, Politik und Pädagogik in Deutschland und Europa – wenn nicht gar weltweit – beobachten seit einiger Zeit, dass mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Holocaust antisemitische Weltdeutungen eine Renaissance erleben. Gleichzeitig bewegt sich die Anzahl antisemitisch motivierter Straf- und Gewalttaten seit einigen Jahren auf einem bedrohlich hohen Niveau, wie beispielsweise der Angriff auf Rabbiner Alter in Berlin. Zugleich fragen mit dem Problem konfrontierte Berliner Schulen, Oberstufenzentren, Pädagog/-innen freier Träger und Jugendfreizeitstätten regelmäßig in der Jugendbildungsstätte Konradshöhe nach konkreten Seminarangeboten zum Thema Antisemitismus. So war zur Zeit der Antragstellung (2010) gerade eine Gemeinschaftsschule aus Berlin-Moabit besorgt über die Verstetigung von latenten antisemitischen Vorurteilen in ihrer Schülerklientel, u.a. desjenigen mit palästinensischem Familienhintergrund. Die Lehrer/-innen beklagen ihre Unkenntnis über die Wirkungsweisen einer antisemitischen Weltanschauung ebenso wie die Unkenntnis über deren Verbreitung, die sie zwar (zu Recht) im unkritischen Medienkonsum ihrer Schüler/-innen vermuten, ohne darin jedoch sicher zu sein. Diese Problematik tritt offenbar insbesondere dort auf, wo die Klassenzusammensetzung ethnisch sehr heterogen und überwiegend nicht herkunftsdeutsch ist. Nach diesen Erfahrungen der ver.di Jugendbildungsstätte benötigen sowohl Jugendliche als auch pädagogisches Personal, Sozialarbeiter/-innen und Lehrer/-innen (präventive) Bildungsangebote, in denen sie sich mit aktuellem Antisemitismus beschäftigen können. Gerade die Jugendlichen brauchen dabei positive Möglichkeiten, sich in Medien und mit Medien auszudrücken. Bei diesem vielfältigen Problemkomplex setzte das Projekt an. Der Film ist im Rahmen des Projektes von Schüler/-innen gedreht worden.
Inhalt
In den Jahren 2002 und 2003 wurde ein koscherer Lebensmittelladen in Berlin-Reinickendorf zuerst von deutschstämmigen Rechtsextremen, dann von arabischstämmigen Jugendlichen angegriffen. Der Besitzer, Dieter T., wird in seinem Laden mehrfach Opfer von judenfeindlichen Beschimpfungen und Drangsalierungen, seine Fensterscheibe wird bespuckt und schließlich mit einem Stein eingeworfen. Durch die Vorfälle geht der Laden zunehmend schlechter, bis Herr. T. ihn letztlich schließen muss. 2004 wandert er nach Israel aus.
Im Rahmen des Projektes wurde den Teilnehmer/-innen eine zu den Vorfällen 2003 gedrehte TV-Reportage gezeigt und diskutiert, in der Herr T. ebenso wie einige seiner Nachbarn zu Wort kommen. Davon inspiriert begeben sich sechs Schüler einer 10.Klasse der Thomas-Mann-Oberschule aus Berlin-Reinickendorf auf Spurensuche vor Ort und werfen in der dabei entstandenen Kurzdokumentation „Acht Jahre danach“ viele Fragen auf: Was verbinden Bürger heute mit dem Thema Juden / Judentum? Warum gibt es heute noch Menschen, die Juden nicht mögen? Wie erinnern sich die Ortsansässigen an Herrn T. und seinen Laden? Wie sehen sie die Vorfälle heute? In der Kurzdokumentation interviewen die Schüler Passanten und Nachbarn des ehemaligen Ladens und setzen dort, wo Interviewpartner nicht zugänglich sind, zugleich geschickt Archivbilder aus der TV Dokumentation ein.
Verwendung als Impuls- / Begleitmaterial
Der Film kann im Unterricht gut als Diskussionsgrundlage verwendet werden. Insbesondere der lokale Bezug lädt dabei dazu ein, das meist eher historisch und abstrakt behandelte Thema Antisemitismus stärker an den Perspektiven und Erfahrungen der Jugendlichen festzumachen und sie so zu ähnlichen Spurensuchen-Projekten anzuregen.