Jugend im Land 3.0 – Digitale Demokratie- und Engagementförderung im ländlichen Raum
Digitale Demokratie- und Engagementförderung im ländlichen Raum
Im ländlichen Raum kann die aktive Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes den demografischen Wandel mildern, weil sie Identität stiftet und Haltefaktoren stärkt. Gleichzeitig erfordern Regionen, in denen die Einwohnerzahl abnimmt und verbunden damit Strukturen wegbrechen, kreative Wege und Lösungen. Aktuelle Studien belegen, dass Kinder und Jugendliche heutzutage Apps, Videoportale und soziale Netzwerke ganz selbstverständlich nutzen. Junge Menschen sind permanent online: über soziale Netzwerke, Apps und Online-Spiele sind sie ständig in Kommunikation miteinander und tauschen sich über Alltagsprobleme, aber auch zu gesellschaftlichen Fragen aus. Im Zentrum des Modellprojektes steht deshalb die Frage, wie Online-Kommunikationsformen (z. B. Computerspiele wie Minecraft, digitale Medien, social media etc.) im Zusammenspiel mit bewährten Methoden der politischen Bildung zur politischen Bildungsarbeit/Demokratie- und Engagementförderung junger Menschen wirksam genutzt werden können.
In besonderer Weise wird darauf geachtet, jungen Menschen mit unterschiedlicher sozialer, geografischer oder kultureller Herkunft die Teilnahme am Projekt zu ermöglichen. Im Zusammenspiel von Online- und Offline-Angeboten setzen sich die Kinder und Jugendlichen aktiv mit Problemlagen in ihrem Lebensumfeld auseinander und wirken an Lösungen für ihre Gemeinden mit. So lassen sich auch die Veränderungsbedarfe aus der Sicht junger Menschen identifizieren: online basierte Computersimulationen wie „Minecraft“ und „Sims“ helfen jungen Menschen, ihre Wünsche für die Gestaltung ihres Gemeinwesens zu erkennen, zu artikulieren, zu visualisieren und zu bearbeiten.
Die Projektumsetzung erfolgt maßgeblich über die Regionalpartner, anerkannte Träger der Jugendarbeit in den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Stendal sowie im Burgenlandkreis. Eine enge Kooperation mit den Hochschulen in Magdeburg-Stendal und Merseburg sowie der Universität Halle-Wittenberg ist vorgesehen. Die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt, die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt sowie das Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt (LAMSA) bringen ihre Erfahrungen, Kompetenzen und Netzwerke in die Projektumsetzung ein.
Das Projekt sensibilisiert Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft für Jugendpartizipation und zeigt Möglichkeiten der Integration echter Jugendbeteiligung in den kommunalpolitischen Alltag auf. Hierfür werden spezifische Beratungs- und Bildungsprozesse in den Modellregionen initiiert.
Erprobt werden soll z. B. auch, inwiefern die Bildung von Tandems zwischen engagierten Scouts aus den Reihen der Jugendlichen und geeigneten Akteuren aus Politik und Verwaltung für die Etablierung jugendgemäßer Beteiligungsprozesse nützlich sind.
Auf Landesebene wird ein Beirat gebildet, in dem Wissenschaft und Praxis den Umsetzungsstand reflektieren aber auch neue Impulse für gelingende Partizipation im ländlichen Raum setzen.
Der Fokus der Projektarbeit liegt auf der Stärkung der Selbstwirksamkeitserfahrungen bei jungen Menschen im ländlichen Raum. Im Ergebnis sollen neue Ansätze und Methoden im Zusammenspiel in der politischen Bildungsarbeit für ländlich geprägte Regionen entwickelt und landesweit transferiert werden.
Ablauf
2015 galt es die Prozesse zur onlinebasierten Demokratieförderung in den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Stendal sowie im Burgenlandkreis zu initiieren, d. h. die Fachkräfte und Multiplikator_innen, die vor Ort tätig werden zu gewinnen und so zu qualifizieren, dass sie die angestrebten Ziele in einer gemeinsam vereinbarten Qualität realisieren.
Gleichzeitig wurden in den drei beteiligten Landkreisen die bestehenden Netzwerke und politisch Verantwortliche gewonnen, um die Umsetzung der regionalen Aktivitäten unterstützend zu begleiten. Das beinhaltet auch, dass die erwachsenen Multiplikator_innen entsprechend ihres Bedarfes beraten wurden.
Die Ansprache und Beteiligung der jungen Menschen erfolgt in Abstimmung mit den Partnern in den Regionen, in Schulen, Jugendeinrichtungen, Kirchgemeinden, Sportgruppen oder Feuerwehr. Es wird in jeder Region ein spezifisches Demokratiemitmach- und -bildungsprogramm erarbeitet und umgesetzt. Das können Aktionstage, Feriencamps, Demokratie-Werkstätten o. ä. sein.
Hier erhalten die Teilnehmenden einen Einblick in die demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten und können über online-Spiele und/oder soziale Netzwerke selbst gestalterisch tätig werden. In Tangermünde im Landkreis Stendal etwa haben 2015 Kinder und Jugendliche anhand des Bausimulationsspiels „Minecraft“ Einrichtungen in ihrem Lebensumfeld ohne Vorgaben nach ihren Wünschen aufgebaut (Freibad, Hallenbad, Kino, Tierpark, großer Spielplatz, Einkaufsladen, Rathaus, Kirche). Im Anschluss wurde überprüft, welche der Pläne umsetzbar sind. Zur Präsentation der Auswahl waren neben Stadtvertretern (Bürgermeister, Stadträte und Stadtverwaltung) auch Vereine und Schulen eingeladen. In Werben, ebenfalls im Landkreis Stendal, konzipierten Jugendliche mit demselben Spiel ein Mehrgenerationenhaus.
Ende 2015 gab es in jeder Region mindestens eine Idee, die die Scouts mit weiteren jungen Menschen in „ihrem Ort“ 2016 umsetzen wollen. Die damit verbundenen Aushandlungsprozesse mit Politik, Verwaltung und verantwortlich Handelnden werden durch die Projektpartner_innen begleitet und über soziale Netzwerke dokumentiert.
Die aktiven Jugendlichen wiederum geben ihre Erfahrungen und Kenntnisse, im Sinne von Scouts, weiter und gewinnen andere Jugendliche zum Engagement und demokratischer Mitwirkung. Das beinhaltet auch die Übertragung einer spielerisch entwickelten Idee in ihren lokalen Lebensraum.
In Folge gezielter jugend-politischer Bildungsarbeit werden im gesamten Projektzeitraum 25 bis 30 Jugendliche pro Region zu Multiplikator_innen (Scouts) für Jugendbeteiligung ausgebildet. Über on- und offlinebasierte Schulungen und Beratungen werden sie befähigt, Projekte zur Teilhabe und Mitbestimmung vor Ort selbst zu initiieren und aktiv mitzugestalten.