Methodenhandbuch zum Thema Antiziganismus
Für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit
Inhalt
In der Einleitung wird die aktuelle politische und gesellschaftliche Ausgangslage skizziert, die die Verfasser_innen des Handbuchs dazu motivierte, ein Bildungsangebot zu schaffen, welches präventiv und aufklärend gegen die Diskriminierung und Ausgrenzung von Sinti_zze und Rom_nja wirksam ist. Dieser Überblick widerlegt die weit verbreitete Annahme, antiziganistische Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung sei
lediglich in ost-, südost- und mitteleuropäischen Staaten virulent,
nicht jedoch in Deutschland. Auch wird deutlich, wie wenig der Themenkomplex in Gesellschaft und Medien wahrgenommen wird, obwohl es sich um eines der wirkmächtigsten Ressentiments in Europa und Deutschland handelt. Die Erstelltung des Handbuchs ist eine Antwort auf den Mangel an Materialien zur Bearbeitung des Themas im (außer-)schulischen Kontext trotz des feststellbaren Bedarfs. Es orientiert sich an einem Seminarkonzept, das demokratische Kompetenzen stärkt, für den historischen und aktuell existierenden Antiziganimus sensibilisiert, Selbstreflexion fördert, kritisches Urteilsvermögen schärft und die Dekonstruktion von antiziganistischen Vorurteilen ermöglicht.
Der erste Teil in Form einer theoretischen Einführung beinhaltet Informationen zum historischen sowie zum aktuell existierenden Antiziganismus in Europa und insbesondere in Deutschland (Patricia Pientka) sowie zur Struktur und Funktionsweise antiziganistischer Ressentiments (Markus End). Der zweite Teil enthält, eingeleitet durch Hinweise zum pädagogischen Konzept sowie zu Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis, 27 ausführlich beschriebene Übungsvorschläge zum Thema und weitere empfohlene Zusatzübungen.
Das Kernstück des Handbuches bilden die Methoden und Übungen im zweiten Teil. Sie wurden in einer anderthalbjährigen Entwicklungs- und Erprobungsphase von einem interdisziplinären und multiprofessionellem Team unter Federführung der Jugendbildungsstätte Kaubstraße in Berlin entwickelt und zusammengestellt. Das Wesen der Übungen basiert auf einem von den Erfahrungen und Deutungen der Adressat_innen ausgehendem Lernen. An die Seminarleitung wird der Anspruch gestellt, ein individuell an den Interessen und Bedürfnissen der Teilnehmenden ausgerichtetes Seminarangebot zu gestalten. Die einzelnen Übungen sind unterschiedlich zeitintensiv und erfordern zwischen 20 und 320 Minuten. Je nach Anlass, Zielgruppe, institutionellen Rahmenbedingungen und Interessenlage der Teilnehmer_innen kann die Seminarleitung über die Auswahl, Kombination und die Reihenfolge der einzelnen Übungen entscheiden, da sie konzeptionell eigenständig sind.
Zu beachten ist dabei jedoch, dass die in die vier Abschnitte „Thematischer Einstieg“, „Wissen und historischer Hintergrund“, „Sensibilisierung“ und „Dekonstruktion“ gegliederten Übungen aufeinander aufbauen. Die Übungen aus dem Unterkapitel „Dekonstruktion“ setzen thematische Grundkenntnisse und eine erhöhte Sensibilisierung voraus und sollten nicht ausschließlich angewendet werden. Angaben zu Lerninhalten, benötigten Ressourcen (Zeit, Material) und zur empfohlenen Gruppengröße und Altersempfehlung sind übersichtlich am Rand der jeweiligen Übungsbeschreibung vermerkt. Dem Methodenhandbuch liegt eine Begleit-DVD mit allen notwendigen Text-,
Bild- und Filmmaterialien zur Gestaltung der Seminarübungen bei.
Eine schulische Auseinandersetzung mit dem Thema Antiziganismus kann auf
Basis des Handbuchs vor allem im Rahmen von Projektwochen oder auch
innerhalb von nur einzelnen Projekttagen stattfinden. Auch die
Einbindung der Übungen in den regulären Schulunterricht ist möglich und
ist mit den Rahmenlehrplänen vereinbar. Im Unterkapitel
„Anwendungsmöglichkeiten in der pädagogischen Praxis“ wird exemplarisch
für die Sekundarstufe I vorgestellt, in welcher Weise eine Beschäftigung
mit Antiziganismus im regulären Schulunterricht in den Fächern
Geschichte, Deutsch, Ethik, Musik und Sozialkunde gestaltet werden kann
und welche thematischen Überschneidungsmöglichkeiten zu anderen
Unterrichtsthemen exisitieren.
Anwendungsbereich
Das Handbuch eignet sich für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit und kann von Pädagog_innen, Sozialarbeiter_innen, Bildungsstätten, Gedenkstätten, Universitäten und Hochschulen sowie Schulen in verschiedenen Bildungskontexten verwendet werden. Die Materialien ergänzen das bisherige Bildungsangebot vor allem durch Übungen, die eher im Bereich des Erfahrungslernens zu verorten sind und mehrheitlich einen aktiv-spielerischen Charakter aufweisen. Sie richten sich damit verstärkt an Jugendliche, deren Stärken weniger im abstrakten Abrufen von Wissen, in der Auseinandersetzung mit schriftlichen Inhalten oder im Verstehen rein sprachlich vermittelter Lerninhalte liegen, sondern die überwiegend tätigkeitsbezogene und aktiv handelnde Fähigkeiten und Fertigkeiten aufweisen.