MFFB-Bildungsbausteine: Demokratie stärken – Antisemitismus bekämpfen
Workshops gegen israelbezogenen Antisemitismus
Ausgehend von der Beobachtung, dass es bisher kaum pädagogische Angebote gibt, die sich schwerpunktmäßig mit israelbezogenem Antisemitismus in der Gegenwart beschäftigen, werden im Rahmen des Modellprojekts „MFFB-Bildungsbausteine: Demokratie stärken – Antisemitismus bekämpfen“ entsprechende Bildungsangebote für Jugendliche und junge Erwachsene konzipiert und durchgeführt sowie zielgruppenspezifische Materialien erprobt und weiterentwickelt.
Ablauf
In Workshops für Schulklassen sollen insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene zur faktenbasierten Analyse des Nahostkonflikts befähigt werden. Hierzu werden Kenntnisse der Geschichte, der Gesellschaft und der Strukturen des Staates Israel vermittelt. Im Fokus steht die Funktionsweise des israelischen Staates als pluralistische Demokratie und als Rechtsstaat im Nahen Osten.
Ziel des Projekts ist es ferner, insbesondere Multiplikator*innen in Seminaren zu mehr Handlungssicherheit bei der Bearbeitung des Themas Nahostkonflikt zu verhelfen und sie zu befähigen, Elemente der Bildungsseminare in der Jugend- und Erwachsenenbildung eigenständig anzuwenden.
In den Workshops werden die Bildungsmaterialien erprobt und anschließend weiterentwickelt. Das MFFB kooperiert mit verschiedenen gesellschaftlich relevanten jüdischen und nichtjüdischen Institutionen und Trägern sowie mit Vereinen und Parteien. Neben den fortlaufend zu überarbeitenden Materialien setzen die MFFB-Bildungsseminare auf eine rege Integration, Beteiligung und Diskussion der Teilnehmer*innen.
Sensibilisierung für die Komplexität des Konflikts durch unsere Seminare soll unkritische Solidarisierungen im Konflikt verhindern. Antiisraelische Bilder sind zwar in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet, äußern sich aber oft nicht im Kontext eines weltbildhaften, sondern vielmehr fragmentierten Antisemitismus. Diese Wissensbestände können nicht selten durch die Aufklärung faktischer Fehler und die Kontrastierung mit der widersprüchlichen, oftmals sich moralischen Rigorismen entziehenden Realität irritiert werden.
Die Teilnehmer*innen werden zum Perspektivwechsel aufgefordert, indem sie sich z.B. mit den Entstehungszusammenhängen der zionistischen Bewegung in Europa auseinandersetzen. Die Gründe für das Bestreben, einen Staat für die Juden zu gründen, werden so für viele erstmals verstehbar. Auch die historischen Tatsachen, dass die Gründung Israels auf einen Beschluss der VN zur Teilung des Mandatsgebiets Palästinas zurückgeht und sich im Einklang mit dem Völkerrecht befindet und dass etwa die nach 1967 durch Israel z.T. bis heute besetzten Gebiete nicht auf dessen expansionistische Politik, sondern auf militärische Aggressionen durch die arabischen Staaten und den anschließenden, durch Israel gewonnen 6-Tage-Krieg zurückgehen, irritieren einseitige Wahrnehmungen, die Israel pauschal die Verantwortung für die gesamte politische Entwicklung zuschreiben.
Gelingensfaktoren
Ehrliches Interesse an Meinungen und Erfahrungen der Teilnehmer*innen durch authentisch auftretende Teamer*innen sowie eine die Meinungsvielfalt fördernde Diskussionsatmosphäre sind von entscheidender Bedeutung für alle Bildungsveranstaltungen die das Themenfeld Juden/Israel/Antisemitismus berühren, da diese Aspekte bei deutschen nicht-jüdischen Personen oft auf Abwehrreaktionen und Schuldgefühle stoßen.
Mit Personen, die antisemitische Ressentiments tief verinnerlicht haben, sind einer aufklärende Pädagogik klare Grenzen aufgezeigt. Dem eigenen Weltbild widersprechende Informationen werden von diesen nämlich systematisch ausgeblendet. Solche Personen sind jedoch als Teilnehmer*innen der Bildungsveranstaltungen die Ausnahme.
Im Rahmen von Fortbildungen mit pädagogischem Fachpersonal muss der anspruchsvolle Versuch unternommen werden, sowohl das kaum vorhandene Hintergrundwissen zur Geschichte des Nahostkonflikts bereitzustellen, für das Phänomen (israelbezogener) Antisemitismus zu sensibilisieren und die Teilnehmer*innen zu Kompetenzen zum Umgang mit diesem zu verhelfen. Dies setzt gewisse zeitliche und kognitive Ressourcen sowie Eigeninteresse voraus sowie Vorwissen, etwa zur Shoah.
Bei der Arbeit mit Schüler*innen wiederum ist das Erzeugen von Interesse an der Auseinandersetzung mit Israel zentral. Jugendliche müssen ermutigt werden, selbst in eine Beziehung zum Lerngegenstand zu treten. Dafür bieten sich Methoden an, in die die Schüler*innen aktiv einbezogen werden. Die Motivation, sich auf das besonders für Jugendliche oft abstrakt wirkende Thema Nahostkonflikt einzulassen, wirkt sich entscheidend auf das Lernen hierzu aus. Helfen kann es, zu verdeutlichen, dass auch israelbezogener Antisemitismus jüdische Menschen in Deutschland, darunter auch Jugendliche, bedroht und diskriminiert.
Lessons Learned
Insbesondere pädagogisches Fachpersonal benötigt dringend regelmäßige Fortbildungen zum Umgang mit aktuellem Antisemitismus. Inhaltlich bedeutet dies einen Mix aus theoretischer Wissensvermittlung und praktischen Kompetenzen. Lehrer*innen benötigen zur Implementierung in ihre Arbeit i.d.R. konkrete Vorschläge und didaktisch aufbereitetes Material, das idealerweise niedrigschwellig (z.B. online) verfügbar ist.
An den vielfältigen Anfragen, die an das Projekt gestellt werden, wird jedoch auch deutlich, dass in der Zivilgesellschaft (Gewerkschaften, religiöse Akteur*innen, Studierendenvertretungen, Jugendorganisationen u.v.a.m.) ebenfalls ein hoher Bedarf an Bildungsangeboten besteht, die sich mit pauschal antiisraelischen Narrativen und Bildern auseinandersetzen, diese somit als antisemitische erkennbar werden lassen und Handlungskompetenzen vermitteln.