Demokratie und Partizipation in der Kindertagespflege
Auch schon kleine Kinder können ein demokratisches Miteinander lernen – wenn sie von Anfang an beteiligt werden. Das Projekt des Bundesverband für Kindertagespflege erarbeitet dazu Fortbildungsmaterialien.
Warum habt ihr das Projekt ins Leben gerufen?
Demokratie und Partizipation betreffen die Frage, wie sich alle Menschen in einer Gesellschaft einbringen können – und zwar von Anfang an. In der Kindertagespflege geht es dabei um die Beteiligung von jungen Kindern, die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern, das Engagement von Kindertagespflegepersonen und die Zusammenarbeit mit der Fachberatung. Unser Projekt „Demokratie und Partizipation in der Kindertagespflege“ soll deshalb die strukturelle Verankerung von Partizipation sowie die demokratischen Kompetenzen der Akteur:innen in der Kindertagespflege fördern.
Uns ist wichtig, dabei den Bogen von Partizipation zu Demokratiebildung zu schlagen: In der Kindertagespflege werden vorwiegend Kinder im Alter von null bis drei Jahren betreut. Demokratiebildung kann schon bei den Jüngsten beginnen, wenn diese an Entscheidungen beteiligt werden. In der Frühpädagogik gibt es verschiedene Ansätze, die dafür die Grundlage bilden und die Selbstbestimmung von Kindern unterstützen. Wir finden, dass es den größeren Rahmen und eine Auseinandersetzung mit den eigenen Partizipationsmöglichkeiten von Kindertagespflegepersonen, Fachberater:innen usw. braucht, um den Begriff mit Bedeutung zu füllen und die Beteiligung von Kindern fest zu verankern.
Wie läuft das Projekt ab?
Das Projekt ist schon das zweite zum Thema Demokratie und Partizipation, das wir beim Bundesverband für Kindertagespflege durchführen. Im Vorgängerprojekt haben wir eine längere Phase der Bedarfsermittlung durchgeführt, davon profitiert auch das neue Projekt.
So haben wir in 2020 beispielsweise mit der Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege ein Leporello entwickelt, das Kindertagespflegepersonen nutzen können, um mit den Eltern über Partizipation zu sprechen. Das wurde uns wiederholt als Bedarf gemeldet, bei diesen Gesprächen eine Argumentationshilfe zu haben.
Wir haben als Zielgruppe für unsere Angebote diejenigen ausgewählt, die am besten zur Verbreitung der Themen beitragen können: Fachberater:innen und Referent:innen in der Qualifizierung und Weiterbildung von Kindertagespflegepersonen. Fachberater:innen von Kindertagespflegebüros, Fachdiensten und Jugendämtern werden für die Begleitung der Selbstevaluation von Kindertagespflegepersonen fortgebildet. Referent:innen in der Qualifikation und Fortbildung von Kindertagespflegepersonen werden zu den Projektthemen weitergebildet, damit sie diese in die Qualifizierungskurse und Fortbildungsangebote integrieren können.
Darüber hinaus beraten wir inhaltlich und konzeptionell unsere Landesverbände, Mitgliedsverbände und Einzelmitglieder. Außerdem wird das Projekt von einem Fachbeirat begleitet.
Unsere Fortbildungs- und Informationsmaterialien rund um die Themen Demokratie und Partizipation in der Kindertagespflege werden bundesweit kostenlos zur Verfügung gestellt.
Unsere Veranstaltungen und Arbeitshilfen werden mit einem E-Learning-Angebot koordiniert und kombiniert, das unser Kooperationspartner erstellt, der Paritätische Wohlfahrtsverband. So wird daraus ein Blended-Learning-Angebot für pädagogische Fachkräfte und Kindertagespflegepersonen gleichermaßen.
Was braucht ihr, damit das Projekt gelingt? Wo liegen mögliche Herausforderungen?
Damit das Projekt gelingt, braucht es engagierte Fachberater:innen und Referent:innen, die Lust auf das Thema und die Auseinandersetzung damit haben. Solche engagierten Personen gibt es im System Kindertagespflege sehr häufig – das zeigt sich an der hohen Nachfrage nach den Projektmaterialien und Veranstaltungen. Das Thema ist für diejenigen, die sich damit intensiver beschäftigen, oft eine Herzensangelegenheit.
Bislang waren alle Veranstaltungen, auch die Online-Veranstaltungen, immer sehr schnell ausgebucht. Es gibt also einen großen Bedarf an Austauschmöglichkeit und fachlichem Input.
Was habt ihr aus dem Projekt gelernt?
Wir haben gute Erfahrungen mit Online-Angeboten zum gezielten Austausch über einzelne Projektangebote gemacht, wie z.B. unserem Selbstevaluationsbogen. In einem solchen Treffen ging es darum, wie Referent:innen den Selbstevaluationsbogen in Fortbildungen einsetzen. Das war zum einen für die Weiterentwicklung des Projekts und seiner Angebote nützlich, zum anderen für die Referent:innen, die sich gegenseitig inspiriert haben.
Wir haben außerdem die Erfahrung gemacht, dass das Thema Partizipation möglichst konkret gemacht werden muss – vor allem, wenn es um so junge Kinder geht. Viele Erwachsene sagen nach einer ersten Erklärung, was mit Partizipation gemeint ist: „Das machen wir doch schon. Wir nehmen doch Kinder ernst und sind respektvoll.“ Wenn man dann in eine Diskussion über die konkreten Handlungen tiefer einsteigt, also wie genau gewickelt wird, wie genau das Mittagessen abläuft usw., kommt man aber an die kleinen Gewohnheiten, die einen Unterschied machen. Dann merkt man, ob die eigene Praxis dem eigenen Anspruch gerecht wird. Das ist immer sehr fruchtbar in Fortbildungen und Workshops, ganz genau hinzuschauen und kleinteilig zu diskutieren.
Wie hat die Corona-Pandemie den Verlauf des Projekts beeinflusst? Welche kurzfristigen Lösungen habt ihr gefunden?
Die größte Herausforderung vor allem für die Fortbildungsangebote, sind die Kontaktbeschränkungen, die notwendig machten, fast alle Veranstaltungen online durchzuführen. Aktuell beschäftigen wir uns damit, wie man in die intensiven Diskussionen, die für die Bearbeitung des Themas nötig sind, auch online einsteigen kann.
Außerdem erscheint es uns wichtig, immer wieder zu betonen, dass Partizipation ein Recht von Kindern ist und das auch bleibt, selbst wenn die Erwachsenen weniger Entscheidungs-Spielräume und Gestaltungsmöglichkeiten haben. Die Frage ist dann, wie und in welchen Bereichen die Kinder trotz Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen zu ihrem Recht kommen können.
Die Fragen beantwortete:
Dr. Teresa Lehmann, Projektleiterin