VOLLKONTAKT – Demokratie & Kampfsport
Im Mittelpunkt steht die Prävention von Gewalt und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, mit besonderem Fokus auf die in Deutschland zunehmenden Verbindungen zwischen extremen Rechten mit den Sektoren Kampfsport und Selbstverteidigung.
Warum habt ihr das Projekt ins Leben gerufen?
Zentraler Ausgangspunkt des Modellprojekts ist die Sachlage, dass extrem rechte Organisationen vom stetig anwachsenden Kampfsport- und Selbstverteidigungsmarkt in Deutschland profitieren wollen und dort Potential für ihre Szene erkennen. Für sie ist zum einen die im Kampfsport vermittelte Gewaltkompetenz für den politisch motivierten „Straßenkampf“ interessant. Zum anderen lässt sich im Rahmen einschlägiger Kampfsport-Veranstaltungen Nachwuchs für ihre Szene rekrutieren und die Vernetzung vorantreiben. Nicht zuletzt werden über die Vermarktung eigener Kampfsport-Bekleidungsmarken und Events die eigenen Aktivitäten und Strukturen finanziert.
Für die Mitglieder dieser Gruppierungen sind insbesondere Formen des Extrem-Kampfsports sowie Nahkampfsysteme zur Selbstverteidigung (mit Waffeneinsatz) von hohem Interesse. Die dort erlernbaren Kampftechniken sind in Hinsicht ihrer Anwendung dicht am „echten Kampf“ angesiedelt und können deshalb im politisch motivierten „Straßenkampf“ Verwendung finden.
Vor diesem Hintergrund strebt das Modellprojekt VOLLKONTAKT sowohl die Entwicklung dringend erforderlicher Präventionsmaßnahmen als auch die Verankerung politischer Leitplanken zum Thema Demokratie im Kampfsportsektor an. Dabei geht es im präventiven Sinne darum, gegenüber menschenfeindlichen Einstellungen und extrem rechten Strategien im Kampfsport zu sensibilisieren – nicht darum, extrem rechte Personen mittels Kampfsportmaßnahmen zu „bekehren“.
Wie läuft das Projekt ab?
Das Gesamtvorhaben stützt sich auf die folgenden Bausteine:
FORSCHUNG
Im Rahmen einer Studie wird der Stand der Präventionsaktivitäten im Bereich Gewalt und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im Mixed Martial Arts (MMA) und anderen Kampfsportarten sowie Selbstverteidigungssystemen untersucht. Das Modellprojekt baut dabei auf die bereits 2019 vom Projekt-Team veröffentlichte Explorativstudie „Zum Stand der Präventionsansätze im Extremkampfsport“ auf, für deren Erstellung Vertreter:Innen der MMA-Verbände und Sportpolitiker interviewt wurden. Die aktuelle Forschung erweitert die bisherigen Untersuchungen. Dabei einbezogen werden weitere relevante Kampfsport-Verbände, Event-Veranstalter:innen und Gym-Betreiber:innen sowie die Bereiche Jugendschutz bzw. Jugendsozialarbeit, kommunale Ordnungsbehörden und Sportpolitik. Zusätzlich erfasst wird die Perspektive der Sportpolitik ausgewählter europäischer Länder.
MONITORING
Über den gesamten Zeitraum des Modellprojekts erfolgt ein detailliertes Monitoring extrem rechter Aktivitäten im Kampfsport. Die aus den kontinuierlichen Beobachtungen und Analysen gewonnen Informationen bestimmen die Gestaltung des Projektverlaufs mit. Ferner finden sie Eingang in die o.g. Studie und werden den Projekt-Partner:innen zur Verfügung gestellt.
INFORMATIONEN
Teil- bzw. Zwischenergebnisse des Modellprojekts werden deshalb den Projektpartner*innen und Zielgruppen sowie der breiteren (Fach-)Öffentlichkeit über mehrere Informationskanäle (Email-Verteiler, Projekt-Homepage, Fachveranstaltungen, Direktkontakt und Hintergrundgespräche) kontinuierlich bekannt gegeben.
DIALOG-FOREN
Im Zuge des Modellprojekts werden gezielt Dialog-Plattformen gebildet, auf denen der Austausch mit den zentralen Akteur:innen und den Zielgruppen erfolgt und die Grundlagen für gemeinsame Handlungsstrategien und konkrete Präventionsmaßnahmen für die Praxis entwickelt werden. Geplant ist zudem die Ausrichtung mehrerer Regionalkonferenzen, verteilt über die gesamt Republik.
NETZWERKARBEIT
Unser Projektteam wirkt aktiv mit in bestehenden fachlichen Netzwerken zu den Themenbereichen Gewalt- und Rechtsextremismusprävention, die in verschiedene Segmente der (sport)politischen Landschaft in der Bundesrepublik Deutschland hineinreichen. Neben der Teilnahme und dem Ausbau an bestehenden Netzwerken, trägt die Projektarbeit ebenfalls zum Aufbau neuer Vernetzungen bei.
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
Auf unserer Projekt-Homepage (www.vollkontakt.info) werden kontinuierlich Informationen zu den Inhalten, den Zielen und dem Projektstatus veröffentlicht. Unser Projektteam wirkt an Veranstaltungen anderer Organisationen mit, u.a.:
- Teilnahme als Experten im Sportausschuss des Deutschen Bundestages zum Thema „Fanprojektarbeit gegen rechts-extremistische Tendenzen“ in Berlin (3/2020).
- Teilnahme als Experten an der Online-Konferenz „Right wing extremism and combat sports in the european union“, organisiert von der Fraktion „The greens /EFA“ im europäischen Parlament (9/2020).
- Expert:innengespräch mit Mitgliedern des bundesweiten Netzwerks „Sport & Politik für Fairness, Respekt und Menschenwürde“ (6/2021).
Das Projektteam realisiert eigenständig öffentliche Veranstaltungen, u.a.:
- Online-Abendveranstaltung gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung unter dem Titel „Training für den Umsturz? Kampfsport in der extremen Rechten – Entwicklungen und Gegenstrategien“ in Berlin (10/2020).
- Online-Abendveranstaltung und Lesung gemeinsam mit dem „Literarischen Salon“ (Leibniz Universität Hannover) unter dem Titel „Ihr Kampf – Wie Europas extreme Rechte für den Umsturz trainiert“ in Hannover (11/2020).
- Die fachlichen Einschätzungen des Projektteams zu Kampfsport in der extremen Rechten werden medial stark nachgefragt. Exemplarisch hierfür sei der Beitrag im MDR zur Hooligangruppe „Jungsturm Erfurt“ genannt.
Was habt ihr aus dem Projekt gelernt?
Die Ergebnisse unserer Explorationsstudie zeigen, dass bei den relevanten Zielgruppen des Modellprojekts großer Bedarf an Informationen und zur Entwicklung von Präventionsmaßnahmen besteht. Insbesondere der adhoc-Abruf gezielter Informationen zu extrem rechten Aktivitäten und Akteur:innen im Kampfsport wird als äußerst hilfreich erachtet.
Wie hat die Corona-Pandemie den Verlauf des Projekts beeinflusst? Welche kurzfristigen Lösungen habt ihr gefunden?
Einige konzeptionelle Änderungen und Umstrukturierungen hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung und der Abläufe im Projektbaustein „Vertiefungsstudie“ waren wg. der Corona-Pandemie erforderlich. So waren vorgesehene Interviews mit Vertreter:innen der Sportpolitik (international), Jugendschutz bzw. Jugendsozialarbeit sowie kommunaler Ordnungsbehörden bis dato nicht realisierbar. Die Durchführung wird von uns auf die Projektjahre 2022/2023 verschoben. Zudem wurde ersatzweise ein Fragebogen als Erhebungsmethode eingesetzt, auf dem aufbauend Vertiefungsinterviews zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden können.
Die Fragen beantwortete/n:
Olaf Zajonc