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Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze

Was bedeutet das?

Die Bezeichnung Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze beschreibt die Abwertung, Ablehnung und Diskriminierung von Menschen, die als Rom:nja und/oder Sinti:zze wahrgenommen werden. Rom:nja und Sinti:zze werden in dieser Form von Rassismus als homogene Gruppe betrachtet, der bestimmte biologische und/oder kulturelle Merkmale zugeschrieben werden, die sie als „anders“ oder „fremd“ markieren 1(vgl. Ádam et al. 2019: 42f).

Dieses Phänomen hat eine jahrhundertelange Tradition in Europa und Menschen, die als Rom:nja und Sinti:zze gelesen werden, wurden gesellschaftlich ausgegrenzt, verfolgt und ermordet, wie es auch im Völkermord (Samudaripen) an den europäischen Romn:ja und Sinti:zze im Nationalsozialismus geschehen ist. Doch es handelt sich bei Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze nicht ausschließlich um ein historisches Phänomen. Stereotype und Vorurteile gegenüber Rom:nja und Sinti:zze sowie ihre gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung existieren bis heute und sind in der Bevölkerung weit verbreitet 2(vgl. Scherr 2017: 538f).

Für das Phänomen Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze gibt es verschiedene Bezeichnungen, darum soll es in diesem Artikel gehen.

Antiziganismus

Die Bezeichnung Antiziganismus für das Phänomen Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze ist zwar weitverbreitet aber gleichzeitig auch umstritten. Zum einen, weil das Wort die rassistische Fremdbezeichnung (Z-Wort 3[„Allerdings sind während des Nationalsozialismus Rom*nja und Sinti*zze auf den Dokumenten der sogenannten rassenkundlichen Untersuchungen, in den polizeilichen Erfassungsbögen und Polizeiakten wie auch zum Teil in den Konzentrationslagern mit einem „Z“ markiert bzw. tätowiert worden. […] Das „Z“ hat daher einen anderen historischen Markierungs-Kontext als das „N-Wort“. Es ist infolgedessen fragwürdig, ob und wie sich die Bezeichnung „Z-Wort“ in eine diskriminierungskritische Sprache einfügen kann (vgl. Randjelović 2019: 2)]) beinhaltet und somit reproduziert. Dies ist eine Bezeichnung die Menschen, die als Rom:nja und Sinti:zze wahrgenommen werden und/oder die sich als solche identifizieren, seit Jahrhunderten stigmatisiert, kriminalisiert und sie als „fremd“ markiert 4(vgl. Scherr 2017: 531). Zum anderen wird kritisiert, dass der Begriff den Fokus in erster Linie auf die gesellschaftliche Stigmatisierung von Rom:nja und Sinti:zze und als solche wahrgenommene legt und dabei den strukturellen Rassismus der staatlichen und institutionellen systematischen Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung von Rom:nja und Sinti:zze nicht beleuchtet 5(vgl. Witt 2021: 129f).

Auf der anderen Seite wird der Begriff von einigen dennoch verwendet, um zu verdeutlichen, dass diese Form des Rassismus sich nicht auf eine real existierende Gruppe bezieht, sondern auf Menschen, die von der Mehrheitsgesellschaft als Z. wahrgenommen werden 6(vgl. Scherr 2017: 531) 7(vgl. Manthe 2014: 6).

Antiromaismus

Als Alternative zum Antiziganismus-Begriff wurde von Rom:nja-Aktivist:innen der Begriff „Antiromaismus“ eingeführt. Diese Bezeichnung hat den Vorteil, dass die politische Selbstbezeichnung Rom:nja gewählt wurde und der Fokus darauf gelegt wird, dass sich die rassistische Ideologie, die dahinter steht, sich gegen Rom:nja wendet. Gleichzeitig wird jedoch kritisiert, dass sie den Fokus ausschließlich auf Rom:nja als betroffene Gruppe legt und andere betroffene Gruppen außen vor lässt. Hinzu kommt, dass mit diesem Begriff Rom:nja als vermeintlich homogene „ethnische“ Gruppe zusammengefasst werden, gegen die sich diese Art der Diskriminierung richtet. Andere Betroffene, die sich nicht als Rom:nja oder Sinti:zze identifizieren aber von dieser Form des Rassismus ebenfalls betroffen sind, bleiben so unbeachtet 8(vgl. Ádám et al. 2019: 50).

Gadjé-Rassismus

Ein weiterer Begriff, der von der Autorin und Aktivistin Elsa Fernandez eingeführt wurde, um Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze zu benennen, ist Gadjé-Rassismus. Gadjé kommt aus dem Romanes und bezeichnet Menschen, die keine Rom:nja oder Sinti:zze sind. Darüber hinaus verdeutlicht diese Bezeichnung gesellschaftliche Domianzverhältnisse und Privilegien und benennt das Gewaltpotential, das von dieser Gruppe gegenüber Rom:nja und Sinti:zze ausgeht 9(vgl. Witt 2021: 126f). Somit nimmt dieser Begriff den Fokus von den von Rassismus betroffenen Menschen und vermeidet die Benennung einer vermeintlich homogenen Gruppe von Rom:nja und Sinti:zze. Der Fokus wird also auf die Gruppe gelegt, von der diese Form des Rassismus ausgeht, nämlich auf die (weiße) Mehrheitsgesellschaft bzw. Gadjé 10(vgl. Ádam et al. 2019: 50f). Da aber die Bezeichnung Gadjé für alle Nicht- Rom:nja und Sinti:zze verwendet wird, also auch für Menschen die ebenfalls von Rassismus betroffen sind, ist auch dieser Begriff umstritten 11(vgl. Randjelović 2019: 6).

Rassismus gegen Rom:nja und Sint:zze

Wir verwenden diese Bezeichnung, um zu verdeutlichen, dass die Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung von Menschen, die als Rom:nja und Sinti:zze gelesen werden, auf rassistischen Gesellschaftsstrukturen basiert. Durch die Verwendung des Rassismus-Begriffs wird die weiße Mehrheitsgesellschaft als Ausgangspunkt des Rassismus deutlich und es werden gleichzeitig die Betroffenen benannt. Allerdings ist auch diese Bezeichnung kritisch zu betrachten, da mit Rom:nja und Sinti:zze nur zwei Gruppen von Betroffenen genannt werden, obwohl auch andere Gruppen der Rom:nja wie beispielsweise Kalé, Ashkali, Kalderash oder Manouches sowie andere Gruppen, die sich selbst weder als Rom:nja oder Sinti:zze identifizieren, von dieser Form des Rassismus betroffen sind 12(vgl. Ádám et al. 2019: 49f).

Bei all den begrifflichen Unterschieden ist festzuhalten, dass Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze nicht nur auf individuellen Vorurteilen und Zuschreibungen basiert, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis darstellt. In diesem Verhältnis ist die Diskriminierung von Rom:nja und Sinti:zze strukturell verankert, wenn ihnen zum Beispiel das Recht auf politisches Asyl abgesprochen wird und sie aufgrund ihnen zugeschriebener Merkmalen gesellschaftlich als „anders“ und „unintegriert“ abwertend dargestellt und deshalb ausgegrenzt werden 13(vgl. Randjelovic 2019: 13).

Zum Weiterlesen (und hören):

Quellen:

Ádam, Éva/Burchardt, Anita/Friedrich, Anna (Hg.) (2019): Dikhen Amen! Seht uns! Praxishandbuch zum Empowerment und zu Sensibilisierung für Rassismus aus Sicht junger Rom*nja und Sinti*ze. Berlin: Amaro Drom e. V. https://www.vielfalt-mediathek.de/material/rassismus-gegen-romnja-und-sintizze/dikhen-amen-seht-uns-praxishandbuch-zum-empowerment-und-zur-sensibilisierung-fuer-rassismus-aus-der-sicht-junger-romnja-und-sintize (letzter Aufruf: 11.01.2022).

Manthe, Barbara (2014): Antiziganismus als Herausforderung für die rassismuskritische Bildungsarbeit. In: Detzner, Milena; Drücker, Ansgar und Manthe, Barbara: Antiziganismus – Rassistische Stereotype und Diskriminierung von Sinti und Roma. Grundlagen einer Bildungsarbeit gegen Antiziganismus. Düsseldorf: Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. https://www.idaev.de/publikationen/produkt-details?tx_cartproducts_products%5Bproduct%5D=42&cHash=028512722020f6241d979bc53fa5fcad (letzter Aufruf: 11.01.2022).

Randjelovic, Isidora (2019): Was ist Rassismus gegen Rom:nja und Sinte:zza?. In: Harbord-Blome, Mathis; Klären, Ina und Wollgarten, Sigrid: Haltung Zeigen! – Jetzt erst recht. Bildungsmaterialien für Demokratie, Anerkennung und Vielfalt. Düsseldorf: Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V., S. 10-14. https://www.vielfalt-mediathek.de/material/zusammenleben-in-der-migrationsgesellschaft/haltung-zeigen-jetzt-erst-recht-bildungsmaterialien-fuer-demokratie-anerkennung-und-vielfalt (letzter Aufruf 11.01.2022).

Randjelović, Isidora (2019): Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze. https://www.vielfalt-mediathek.de/material/rassismus-gegen-romnja-und-sintizze/rassismus-gegen-rom_nja-und-sinti_zze (letzter Aufruf 11.01.2022)

Scherr, Albert (2017): Diskriminierung von Roma und Sinti. In: Scherr, Albert; El-Mafaalani, Aladin und Yüksel, Gökçen (Hg.): Handbuch Diskriminierung. Wiesbaden: Springer VS, S. 529-543.

Witt, Roxanna-Lorraine (2021): Gadjé-Rassismus. Ein analytischer Perspektivwechsel auf Kontinuitäten menschenfeindlicher Ideologien in weißer Kultur und Identität. In: Nobrega, Onur Suzan; Quent, Mathias und Zipf, Jonas (Hg.): Rassismus. Macht. Vergessen. Von München über den NSU bis Hanau: Symbolische und materielle Kämpfe entlang rechten Terrors. Bielefeld: transcript Verlag, S. 125-144.