#Kinderrechte digital leben!
Mitsprache, wenn es um Medien geht
Warum habt ihr das Projekt ins Leben gerufen?
Medienerziehung in der Familie, interne Regelungen zur Nutzung von mobilen Endgeräten in der Institution Schule, Regeln zum Umgang mit Medien im Bereich Hilfen zur Erziehung – so unterschiedlich sich diese Felder auch ausgestalten, gemeinsam ist ihnen allen, dass das Kind und dessen Bezug zur digitalen Lebenswelt im Zentrum dieser Prozesse steht. Untersuchungen im Bereich Familie und Achtung der Kinderrechte im Feld Medienerziehung deuten darauf hin, dass die Beachtung der Rechte von Kindern oftmals eine „Leerstelle“ ist. „Sie werden vielfach nicht oder kaum beteiligt und ihnen wird Entscheidungsfähigkeit abgesprochen.“ 1Kutscher, N. 2018: Kinder. Bilder. Rechte. Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie., S.86.. Nach unseren Erfahrungen trifft dies oft auch in den anderen Feldern zu, wo das Spannungsverhältnis zwischen Schutzrechten, Förderrechten und Beteiligungsrechten aufgrund von „Unzureichende[r] Informiertheit, Pragmatismus, Hilflosigkeit und Gewöhnung [dazu führen], dass Eltern ,quasi nebenbei‘ die Rechte der Kinder verletzten“ 2Kutscher, N. 2018: Kinder. Bilder. Rechte. Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie., S. 84 und die Schutzrechte als Argument für eine teilweise immense Beschneidung der anderen Rechte herhalten müssen. Verbietet man Heranwachsenden den Zugang zu digitalen Technologien und damit dem Internet, so schränkt man besonders ihre Rechte bezüglich Artikel 13 – Meinungs- und Informationsfreiheit, Artikel 17 – Zugang zu Medien und Artikel 31 – Beteiligung an Freizeit, kulturellem und künstlerischem Leben gemäß der UN- Kinderrechtskonvention ein.
Die Achtung der Kinderrechte in der digitalen Welt geht über das Thema Partizipation noch deutlich hinaus. So sind Themen wie der Einsatz von Parental Control Apps (= technische Maßnahmen, welche u.a. ermöglichen das Kind mittels Geofencing digital „einzusperren“, jegliche Kommunikation des Kindes zu überwachen, feste Nutzungszeiten festzulegen, bestimmte Inhalte zu blockieren etc.), welche oft die Schutzrechte in den Vordergrund stellen, die Missachtung der Kinder- und Persönlichkeitsrechte in der Praxis des Shareting (= Teilen von Inhalten durch die Eltern auf Social Media, welche das Kind als Gegenstand haben, z.B. Bilder der eigenen Kinder), die Verletzung der Rechte anderer Kinder durch die Adressaten selbst im Rahmen von dysfunktionaler Onlinekommunikation (hierzu zählen z.B. Cybermobbing, Sexting, Stalking, Identitätsdiebstahl), der Zugang zu Informationen und das Recht auf Kultur, Spiel und Freizeit, der Datenschutz (auch wenn hier durch die DSGVO vieles passiert ist, so ist dieses Feld weiterhin sehr bedeutsam) u.v.m. zentrale Elemente unseres Projektes.
Wie läuft das Projekt ab?
Das Projekt gliedert sich in 6 Phasen:
- Die erste Phase des Projektstarts ist abgeschlossen. Dazu gehörten Entwicklung eines Projekttitels, Corporate Identity, Entwicklung eines Projektflyers, Zeichnung der Kooperationsvereinbarungen sowie Konzeption eines Workshops für Kinder, um diese für die weitere Projektentwicklung zu konsultieren.
- Die Phase 2 ist die aktuelle Phase und wird Ende Juni 2021 beendet sein. Im Rahmen der Bedarfsermittlung stehen Workshops mit Kindern, erwachsenen Stakeholdern, eine Auftaktveranstaltung sowie die Fertigstellung der Projektwebsite im Mittelpunkt. Die Bedarfserhebung aus Elternsicht konnten wir mittels eines Fragebogens abschließen.
- In der kommenden Phase 3 werden wir die gewonnenen Erkenntnisse veröffentlichen und auf deren Basis unser Angebot zielgruppenspezifisch anpassen bzw. ausbauen und durchführen.
- In Phase 4 ab Juli 2022 bis Juni 2023 stehen die Veröffentlichung gesellschaftspolitischer Forderungen, eine groß angelegte Plakatkampagne, die Durchführung eines Fachtags sowie parallel die Weiterführung unserer Projektangebote auf der Agenda
- Phase 5 steht ganz im Fokus der praktischen Arbeit mit den Zielgruppen und der Schulung von Fachkräften zu den Projektthemen.
- Juli 2024 bis Dezember 2024 wird das Projekt abgeschlossen. Im Rahmen dieser letzten Phase ist ein weiterer Fachtag geplant sowie die weitere Arbeit in der Praxis.
Was braucht ihr, damit das Projekt gelingt? Wo liegen mögliche Herausforderungen?
Aktuell befinden wir uns trotzt Corona-Pandemie im Zeitplan und konnten bisher unsere Ziele erreichen. Die Flexibilität innerhalb eines Modellprojektes und der Ansatz auch neues auszuprobieren zu dürfen, ermöglichten uns bisher sehr gut auf die neuen Anforderungen an den Arbeitsalltag sowie der Zielgruppenerreichung adäquat zu reagieren. Verschiedene Methoden des agilen Projektmanagements unterstützen uns dabei. Ein wichtiger Baustein ist die Qualifizierung der Mitarbeitenden. Gerade um neue Denkansätze zu finden und neue Methoden zu generieren, sind intensive Fortbildungen gut geeignet. Die Mitarbeitenden sind alle systemisch ausgebildet und auch mit der Organisationsberatung vertraut. Kontinuierliche Literaturrecherche und Mitarbeit in verschiedenen Gremien ist ein weiterer Qualitätsbaustein des Projektes.
Als vorausschauend sehr gut hat sich auch die Einrichtung einer Honorarstelle für Öffentlichkeitsarbeit herausgestellt. Gerade im Onlinebereich ist die Wirkung von Bildern und Layout nicht hoch genug einzuschätzen, sodass wir uns freuen gemeinsam mit einer Fachfrau qualitativ hochwertige Inhalte entwickeln und gestalten zu können. Die Möglichkeit auf Honorarbasis auf eine fundierte rechtliche Beratung zurückgreifen zu können, ermöglicht uns auf spezifische rechtliche Fragen fundierte Antworten zu bekommen und unser professionelles Know-how zu unterfüttern.
Was habt ihr aus dem Projekt gelernt?
Kinder zwischen 9 und 12 Jahren haben meist ein sehr gutes Gespür für das, was sie online wollen und was ihnen wichtig ist. Sie erahnen Gefahrenquellen und möchten, dass Erwachsene sie davor schützen. Der Wunsch nach einem geschützten digitalen Raum, in dem sie sich ausprobieren können, ist groß und wird mehrheitlich gefordert. Digitale Workshop-Angebote mit Kindern aus der angegebenen Altersgruppe sind möglich, jedoch ist die technische Infrastruktur eine nicht zu unterschätzende Hürde.
Fachkräfte zeigen sich interessiert am Thema Kinderrechte und Medienentwicklungen. Vielfach steht bei Ihnen der Schutz der Heranwachsenden im Vordergrund. Die Erkenntnis, dass das digitale Umfeld aus den Leben der Kinder nicht mehr wegzuwünschen ist, setzt sich zunehmend durch. Damit geht eine größere Offenheit für die Teilhaberechte der Kinder an Medien und der Netzwelt einher. Ein Teil der Fachkräfte sucht aus eigenem Antrieb und eigenengagiert nach Lösungen, während die anderen sich Schulungen und Support durch Projekte wie das unsere wünschen.
Sehr häufig wird die Ebene der Förderung und die darin liegenden Chancen hinsichtlich der Auflösung von Dilemmata der Medienerziehung nicht von allein mitgedacht. In diesem Kontext trifft die von uns entwickelte Methode „Tims Wunsch“, die solchen Herausforderungen systemisch, subjektiv und lösungsorientiert begegnet und dabei die Kinderrechte-Trias als Grundstruktur vorgibt, auf großes positives Feedback der Teilnehmenden. Auch die Arbeit an der eigenen Haltung hinsichtlich Medien/Mediennutzung und Kindheitsbildern eröffnet Fachkräften und Eltern eine neue Sicht auf den eigenen Umgang mit medienerzieherischen Themen.
Wie hat die Corona-Pandemie den Verlauf des Projekts beeinflusst? Welche kurzfristigen Lösungen habt ihr gefunden?
Der erste Lockdown im März 2020 stellte uns in der Startphase des Projektes vor einige besondere Herausforderungen. Neben den privaten Fragen der Kinderbetreuung und damit der Umorganisation des Alltags, mussten wir von gemeinsamer Teamarbeit im Büro auf Arbeit auf Distanz umstellen. Die Recherche nach geeigneter Software zur Abbildung interner Projektabläufe sowie Software für Onlineworkshop-Formate stellte sich als umfangreicher heraus als anfangs gedacht. Gerade die offline intensive Nutzung verschiedenster Moderationstechniken und -materialien erforderte online ein konzeptionelles und didaktisches Umdenken. Wir sind froh, mittlerweile ein sehr gutes Tool, welches einen Moderationskoffer fast perfekt ersetzt, gefunden zu haben.
An Grenzen stoßen wir hingegen immer wieder hinsichtlich des Zugangs potenzieller Workshop-Teilnehmer*innen (vor allem aus dem Verwaltungsbereich) zu unseren Online-Angeboten – trotz der Verwendung DGSVO-konformer technischer Systeme.
Für Familien entwickelten wir einen Fragebogen, um auf diesem Wege ihre Bedarfe abzufragen.
Die Fragen beantworteten:
Christoph Voigt und Mandy Wettmarshausen