(Un)Sichtbarkeiten in der Migrationsgesellschaft
Das Modellprojekt „(Un)Sichtbarkeiten in der Migrationsgesellschaft“ beschäftigt sich mit den vielfältigen Dimensionen des antimuslimischen Rassismus. Dabei stehen mediale und kulturelle Repräsentationspraktiken im Mittelpunkt der Projektarbeit.
Warum habt ihr das Projekt ins Leben gerufen?
Medien- und Kulturschaffende tragen durch die Fokussierung auf negative Wirklichkeitsausschnitte und die (Re)Produktion von stereotypen Zuschreibungen eine Mitverantwortung für die Aufrechterhaltung antimuslimischer Bildwelten. Sie greifen in ihrem Schaffen auf ein gewaltvolles antimuslimisches Sprechen zurück, welches wiederkehrend zwischen einem normierten, unmarkierten „Wir“ und einem von der Norm abweichenden „Anderen“ unterscheidet.
Angesichts der Konstruktion der vermeintlich bedrohlichen und rückständigen „Muslim*innen“ wird rassifizierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen das (angst)freie Entfalten des Eigenen und das Mitgestalten von Gesellschaft mindestens erschwert.
Ziel des Projekts ist es, (angehende) Medien- und Kulturschaffende aus rassismuskritischer Perspektive für die Konstruktion „des muslimischen Anderen“ und die Mechanismen der Veränderung zu sensibilisieren. Wir möchten mit unserer Arbeit gesammeltes Wissen über Rassismen teilen und sowohl reale als auch mediale Räume gestalten, in denen ein verantwortungsbewusstes und rassismuskritisches Sprechen und Bebildern jenseits althergebrachter, antimuslimischer Routinen reflektiert werden kann.
Wie läuft das Projekt ab?
Aufbauend auf die Expertise aus dem vorangegangenen Modellprojekt „Vaterzeit im Ramadan“ besteht ein Schwerpunkt unserer Projektarbeit darin, praxisorientierte Weiterbildungen für Medien- und Kulturschaffende im Themenfeld antimuslimischer Rassismus anzubieten. Wir erarbeiten entsprechend der spezifischen Zielgruppen rassismuskritische Workshop-Module, die wir nach hinreichender Durchführung und Weiterentwicklung Bildungsinstitutionen als verschriftlichtes Material zur Verfügung stellen.
Als weiterer zentraler Baustein unserer Arbeit erproben wir selbst das herrschaftskritische Sprechen und Bebildern über Medien- und Kulturproduktionen. In der Vergangenheit haben wir beispielsweise die Ausstellung „Re:Orient“ kuratiert oder den rassismuskritischen Dokumentarfilm „Spendier mir einen Çay und ich erzähl dir alles“ produziert.
Eine Frage, mit der wir uns beschäftigen, ist, wie das komplexe Wissen über Ungleichheitsverhältnisse und ihre Verwobenheiten auf eine ästhetisch-bildnerische Art und Weise vermittelt werden können. So haben wir den illustrierten Essayband „Die Erfindung des muslimischen Andere„“ veröffentlicht. Zudem produzieren wir den monatlich erscheinenden Podcast „Widerstand & Widerrede“ und bespielen diverse Social-Media-Räume mit herrschaftskritischem Wissen.
Was braucht ihr, damit das Projekt gelingt? Wo liegen mögliche Herausforderungen?
Eine Herausforderung in der Bildungsarbeit liegt darin, durch das Besprechen von Rassismen und anderen Ungleichheitsverhältnissen diese nicht zu (re)produzieren und zu stützen. Die meist unsichtbaren Mechanismen der (Re)Produktion sollten in der täglichen Arbeit mitbedacht und, wenn möglich, gebrochen werden.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, den eigenen Zielgruppen entsprechende rassismuskritische Strategien zu entwickeln. Wer wird wie adressiert? Welche Leerstellen (dürfen) entstehen innerhalb der eigenen Arbeit? Welche Allianzen braucht es, um zu gerechteren Verhältnissen beitragen zu können? Diesen Fragen im Rahmen der Projektarbeit Raum zu bieten erachten wir als sehr wichtig und möchten Kolleg:innen dazu ermutigen, mit uns, über diese Fragen ins Gespräch zu kommen.
Was habt ihr aus dem Projekt gelernt?
Dass Differenz, Widersprüche und Ambivalenzen mehr Anerkennung finden und marginalisierende und spalterische Gegenüberstellungen mehr hinterfragt werden müssen.
Die Fragen beantwortete:
Mehmet Arbag und Anna Sabel