„Komplex“ – Rheinland-pfälzische Kommunikationsplattform gegen Extremismus
Das Modellprojekt „Komplex“ wurde vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT.“ durchgeführt. Angesichts von wachsendem Zukunftspessimismus und sozialer Desintegration gerade in der jüngeren Generation knüpfen rechtsextremistische Ideologien und Argumentationsfiguren verstärkt an der als sinn- und perspektivlos empfundenen Lebensrealität junger Menschen an und bieten ihnen einfache Erklärungsmuster. Hier setzte das Modellprojekt „Komplex“ mit dem Ziel an, rechtsextremistisch orientierten und gefährdeten Jugendlichen durch aktive und eigenverantwortliche Umsteuerung des Denkens und Handelns einen Perspektivwechsel zu ermöglichen. Eine interaktive Internetplattform wurde hierbei als geeignetes Mittel ausgemacht, mit den Jugendlichen in Interaktion zu treten, ihre Überzeugungen zu thematisieren und zu problematisieren.
Ablauf
„Komplex“ wurde auf dem Konzept einer veränderungsorientierten und webbasierten Kommunikation aufgebaut, das den Usern die Möglichkeit bietet, in einem moderierten Forum Beiträge zu schreiben. Für die Installierung und den Betrieb der Kommunikationsplattform wurde ein Pflichtenheft erstellt, das sowohl die technischen als auch die sicherheitsrelevanten Sicherungsmaßnahmen beinhaltete. Grundlage der Projektentwicklungsphase waren weiterhin folgende Schritte: erstens Befragung von 30 jungen Menschen zu ihren Kriterien für attraktive Internetangebote und ihren persönlichen Suchstrategien. Zweitens Ermittlung von Erwartungen von Eltern und pädagogischen Fachkräften an eine Internetberatung. Drittens wurden die Entwürfe zum Webdesign mit Vertreter/-innen aller drei Zielgruppen diskutiert und von ihnen bewertet. In der Projektdurchführung hatten alle drei Zielgruppen die Möglichkeit, eigene Beiträge in Form von Texten, Bildern, Filmen etc. einzubringen. In Form von Chats und Foren konnten die Zielgruppen auf der Plattform miteinander kommunizieren. Im Rahmen der Auswertung des Projektes zeigten die Gruppendiskussionen, Rückmeldungen und neue Elemente der Plattform, die 2010 eingerichtet wurden, eine qualitative Weiterentwicklung. So wurde eine Jugendredaktion mit rund 20 jungen Menschen institutionalisiert. Das Angebot eines im 4-wöchigen Abstand stattfindenden Prominentenchats forcierte die Nutzung der Plattform. Im Rahmen einer viertägigen Lesereise inkl. eines Chatangebotes einer Buchautorin wurde die Plattform verstärkt von Eltern und Fachkräften genutzt. Die Kooperation mit dem Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz führte zu einer Produktion von Videoclips, die mit jungen Menschen zum Thema Rechtsextremismus erarbeitet und auf „Komplex“ eingestellt werden konnten. Darüber hinaus konnten der Plattform über eine Fortbildungsveranstaltung für die Jugendredaktion und andere registrierte User neue Nutzer zugeführt werden.
Gelingensfaktoren
Die aktive Einbindung der Zielgruppen von jungen Menschen, Eltern und pädagogischen Fachkräften war in allen Phasen der Projektarbeit zwingend erforderlich, um das Angebot bedarfsgerecht und passgenau für die unterschiedlichen Zielgruppen zu kreieren. Im Verlauf der Projektlaufzeit war es erforderlich, das Angebot mit erweiterten Angeboten, wie einer Jugendredaktion, einer Lesereise, einem Prominentenchat, einer Fortbildungsveranstaltung und gemeinsam erstellten Produkten z. B. mit dem Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz zu verknüpfen. Dies führte zu einer Weiterentwicklung von „Komplex“ und ermöglichte die Fortführung des Angebotes, beispielsweise im Rahmen des neuen Projekts „maps – Mediale AktionsProjekte gegen Rechtsextremismus“. Um dieses Entwicklungspotenzial zu erkennen und auszuschöpfen war eine permanente Bewertung und Nachsteuerung erforderlich.
Lessons Learned
Die Auswertung der Serververweise ließ nur bedingt Rückschlüsse auf den erreichten Zielgruppentyp zu, da die unspezifischen Server bzw. Websites überwogen. Im Gesamtzeitraum der Projektarbeit gab es rund 1,6 Mio. Zugriffe. Nach der Auswertungsstatistik entstand der Eindruck, dass die jungen Menschen, die sich für die Websites interessierten, nicht überwiegend dem Kreis der rechtsextremistisch Orientierten zuzurechnen waren (obwohl sich dies nicht definitiv klären ließ). Die Posting-Strategie von „Komplex“ führte auch zu Reaktionen, die eindeutig der primären Zielgruppe zuzuschlagen waren. Darin ist insofern ein erfolgreicher Ansatz für die verstärkte interaktive Einbindung der primären Zielgruppe zu sehen. Eine weitere Herausforderung lag im Sicherheitskonzept der Plattform. Auf der einen Seite sollte es vor unbefugten Zugriffen schützen, auf der anderen Seite sollte es so offen sein, dass es eine Kommunikation mit rechtsextremistisch orientierten und gefährdeten jungen Menschen proaktiv unterstützen konnte. Hier musste eine Balance gefunden und die Sicherheitsvorkehrungen sukzessive verändert werden. Da die finanziellen und personellen Ressourcen für den Betrieb der Plattform sehr eng an die Bundesförderung gekoppelt waren, stellte die Fortführung der Plattform eine enorme Herausforderung dar.