Demokratie ist Pop
Das Konzept „Demokratie ist Pop“ entwickelte die Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt (ARUG) im Modellprojekt „Kompetente Konzepte für Demokratie und Toleranz“ im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT.“. Trotz einer Fülle von präventiv-pädagogischen Projekten in den letzten Jahrzehnten wird in der schulischen politischen Bildung zu oft auf belehrende Wissensvermittlung gesetzt, die der ihrerseits mit Erlebnisangeboten ködernden rechtsextremen Szene zu wenig entgegensetzen kann. In der schulischen wie außerschulischen politischen Bildungsarbeit ist darüber hinaus die Einbeziehung rechtsextremistisch gefährdeter bzw. orientierter Jugendlicher ein Problem. Gehören sie zur anvisierten Zielgruppe, haben die Angebote zu oft belehrenden, aufklärerischen Charakter, der einen Zugang erschwert. Sind sie nicht die eigentliche Zielgruppe, werden sie meist nur als Störfaktor behandelt. Das Konzept „Demokratie ist Pop“ ist in diesem Kontext entstanden. Es wurde 2004 auf der Grundlage mehrjähriger Praxiserfahrungen in den Tätigkeitsfeldern der (Sozial-)Pädagogik, der Beratungsarbeit sowie auf Grundlage wissenschaftlicher Forschungserkenntnisse entwickelt.
Inhalt
„Demokratie ist Pop“ ist eine Präventionskonzept, das mithilfe von beteiligungsorientierten Workshops bei Jugendlichen demokratische Verhaltensweisen fördern und Distanzierungen zu rechtsextremen Orientierungen initiieren und ausbauen will. Dabei arbeitet es nach drei Leitlinien: Es ist erstens handlungsorientiert und setzt auf Diskussionen ohne Belehrungen. Zweitens werden auch rechtsextrem orientierte Jugendliche als Seminarteilnehmer/-innen akzeptiert und es findet drittens keine Betroffenheitspädagogik statt. In den Workshops werden mit den Jugendlichen sowohl thematische Inhalte als auch konkrete Handlungsstrategien erarbeitet.
Gelingensfaktoren
Das praktische Erleben einer demokratischen Seminar- bzw. Workshopkultur, bei der die Jugendlichen und die Referent/-innen gemeinsam Verantwortung für Gelingen der Zusammenarbeit tragen und sich mit gegenseitigem Respekt begegnen, bietet die Möglichkeit, insbesondere rechtsextremistisch orientierte Jugendliche in einen demokratischen Fortbildungsprozess mit klar definierten Regeln einzubinden und an ihm zu beteiligen, ohne dass diese das Seminar dominieren oder instrumentalisieren. Der Workshop-Charakter mit der deutlichen Formulierung von Regeln, Beteiligungsmöglichkeiten und Grenzen bietet einen Rahmen und eine Atmosphäre, in der Jugendliche bereit sind, sich an dem Projektprozess auch emotional zu beteiligen und in kontroverse Diskussionen einzusteigen. Der emotionale und affektive Zugang und Austausch wiederum bietet Jugendlichen Chancen und Möglichkeiten für Veränderungen. Nicht selten zeichnen sich besonders die als „problematisch“ angekündigten Jugendlichen im Projektverlauf durch ein hohes Interesse an konstruktiver Auseinandersetzung und Neugier am „Experimentieren“ aus.
Lessons Learned
Eine Herausforderung ist es, mit den Jugendlichen zu erarbeiten, welche Verbindungen, Kontinuitäten und Veränderungen es zwischen dem historischen Nationalsozialismus und dem gegenwärtigen Rechtsextremismus gibt. Zudem sollten Workshop-Leiter/-innen das Seminar so leiten und moderieren, dass die Verantwortung für das Gelingen des Seminars spürbar gemeinsam bei ihnen und bei den Teilnehmer/-innen bleibt. Bewertungen sollten Workshop-Leiter/-innen nur dosiert und auf Nachfrage hin abgeben.
Besondere Anforderungen an das Projekt stellt die Arbeit mit Förderschüler/-innen mit Lernbehinderungen, da die vermittelten Inhalte in besonders kurzen Sequenzen aufbereitet und eingehend erläutert werden müssen. Praxisbezogene Sequenzen müssen einen überdeutlichen Bezug zur vermittelten Theorie beinhalten, damit die Jugendlichen das Erlebte im Kontext demokratischen Handelns nachvollziehen und begreifen können. Weiterhin müssen geeignete Evaluationsmittel erarbeitet werden, um die Qualität des Projektes differenzierter erfassen und gegebenenfalls erweitern zu können. Weit mehr als bei Schüler/-innen der Haupt- und insbesondere der Realschulen und Gymnasien brauchen sie Lob und Anerkennung für ihre Mitarbeit. Wegen massiver auftretendem unruhigem und nervösem Verhalten sowie erhöhter Unaufmerksamkeit bei Förderschüler/-innen ist eine Anwesenheit von Personen, die den Schüler/-innen vertraut sind, unabdingbar, um gegebenenfalls durch gezielte Intervention für Entlastung zu sorgen.