Fair*In – Genderreflektierte Rassismusprävention
Jugendkulturell-lebensweltbezogene Workshops und Begegnungsformate für Jugendliche mit und ohne Fluchterfahrung zur Prävention von Rassismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Schule und Jugendarbeit
Die von cultures interactive e. V. zum Abbau rassistischer, ethnisch polarisierender sowie sexistischer, homo- und transphober Haltungen entwickelten Formate der jugendkulturell-politischen Bildung und gemeinwesenorientierten Prävention werden in den beiden Schwerpunktregionen in Brandenburg und Niedersachsen erprobt. Ein Fokus dieser Formate liegt auf der direkten Begegnung zwischen Jugendlichen mit und ohne Fluchterfahrung.
Die Jugendlichen erreicht der Träger über Schulen mit Willkommensklassen, Einrichtungen der offenen Jugendarbeit und Geflüchtetenunterkünfte. Flankierend werden die Akteur_innen der Kommunen beraten und modulare Fortbildungen für Mitarbeiter_innen in Schule, Jugendarbeit und Ehrenamt zum Umgang mit rassistischen und gender-stereotypisierenden Affekt- u. Denkmustern angeboten. Als brückenbildende Maßnahmen für unterschiedliche Akteur_innen in Kommunen werden moderierte runde Tische erprobt.
Vorgesehen ist ferner die Ausarbeitung eines Methoden-Manuals zur genderreflektierten Prävention von Rassismus, Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Gruppenhass sowie zu den Themen Menschenrechte, Flucht und Asyl. Projekttage und Workshops der jugendgerechten politischen Bildung bauen hierauf auf. Zur selben Thematik werden längerfristige Dialoggruppen im Bezugsrahmen Schule und impulssetzende Begegnungsangebote in der offenen Jugendarbeit erprobt. Nach erfolgter Evaluation können die entwickelten Formate in weiteren Regionen Deutschlands und Europas Anwendung finden.
Fair*in ist ein Modellprojekt des Bundesprogramms „Demokratie leben!“, das dort im Themenfeld „Rassismus und rassistische Diskriminierung“ beantragt wurde und unter die Rubrik „ausgewählte Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) und Demokratiestärkung im ländlichen Raum“ fällt.
Das Projekt berücksichtigt besonders die Gender-Dimension, weil gender-stereotypisierende sowie sexistische, homo- und transphobe Haltungen oft eng mit rassistischen und anderen menschenfeindlichen Denk- und Handlungsmustern verwoben sind. Eine besondere Bedeutung wird dabei der Erkenntnis beigemessen, dass diese Muster häufig nicht nur auf weltanschaulich-kognitiver, sondern vor allem auch auf affektiver Ebene wirksam sind – und einen Kernaspekt der persönlichen (Gender-)Identität betreffen. Deshalb zielt das Projekt speziell auf die Bearbeitung der genderbezogenen Affekt-Haltungen, die derzeit häufig im Zusammenhang mit Ängsten und Unsicherheit der Bevölkerung bei den Themen Flucht und Asyl auftreten – und von populistischer Seite in stark emotionalen Weisen befeuert werden.
Einen methodischen Schwerpunkt in der Bearbeitung dieser Phänomene legt das Projekt auf moderierte Begegnungsformate zwischen Jugendlichen mit und ohne Fluchterfahrung – und auf das neue Format der Dialoggruppen. Diese Dialoggruppen sind CIs Methode der Wir-unter-uns-Gruppe nachempfunden, die im „Fair Skills“-Ansatz als kleine Runden des offenen, persönlichen Gesprächs unter Teilnehmenden ohne Fluchterfahrungen eingesetzt werden.
Die neuen Formate der Begegnung und des Dialogs sind der Erfahrung geschuldet, dass stark nach Programm strukturierte Maßnahmen zwangsläufig dazu neigen, diejenigen Gesichtspunkte einer Thematik zu verfehlen, die eher von biografisch-persönlicher Natur sind. Wenn die Jugendlichen aber Zeit und Raum bekommen, um sich mit diesen persönlichen Aspekten vertrauensvoll auseinanderzusetzen und auch andere dabei zu begleiten und zu unterstützen, kann eine nachhaltigere pädagogische Wirkung erzielt werden.
Deshalb sollen die Begegnungs- und Dialogformate in Schulen mit Willkommensklassen und in Jugendeinrichtungen miteinander verzahnt durchgeführt sowie im Gemeinwesen verankert werden – um auf all diesen Ebenen eine präventive und resilienzbildende Wirkung zu entfalten.
Ablauf
Fair*in entwickelt Formate der genderreflektierten Jugendkulturarbeit zur Prävention von Rassismus und GMF und erprobt sie in den Modellregionen Frankfurt (Oder) (Brandenburg) und Vechta (Niedersachsen). Nach erfolgter Evaluation sollen diese Formate auch in weiteren Regionen des Bundesgebiets einsetzbar sein.
Dazu sieht das Projekt folgende Arbeitsschritte und Maßnahmen vor:
- In Kooperation mit lokalen Akteur*innen wird zunächst in beiden Modellregionen eine Situationsanalyse erstellt, die über GMF und Rassismus, die Situation von (jungen) Geflüchteten sowie die bestehenden Bedarfe, Ressourcen und Angebote der genderreflektierten Bearbeitung von Phänomenen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Schule und Jugendarbeit bzw. -hilfe Aufschluss gibt.
- Darauf aufbauend entwickelt das Projekt Methoden und Formate der genderreflektierten Prävention von Rassismus und GMF unter besonderer Berücksichtigung der aktuell besonders relevanten Themen Flucht, Asyl, Migration und Inklusion.
- Anschließend werden diese Methoden und Formate in Schulen und Jugendeinrichtungen der beiden Modellregionen erprobt – insbesondere jugendkulturell-lebensweltbezogene Workshops und Begegnungsformate (sowohl in genderspezifischen als auch in gemischten Gruppen) sowie Impuls-Projekttage und darauf aufbauende, längerfristig angelegte Dialoggruppen.
- Flankiert werden diese Maßnahmen der Jugendarbeit durch Fortbildungsangebote für Fachkräfte und Ehrenamtliche sowie – optional – durch runde Tische zum themenspezifischen Austausch zwischen lokalen Akteur_innen aus verschiedenen Bereichen des Gemeinwesens.
- Als Ergebnis dieser Phase entstehen erprobte Formate und ein Methoden-Manual zur genderreflektierten Prävention von Rassismus und GMF sowie zur Stärkung menschenrechtsorientierter Haltungen, die im weiteren Verlauf des Projekts für den Transfer in andere Regionen vorbereitet werden.
- Weiterhin findet ein Fach- und Methodenaustausch mit deutschen und europäischen Kolleg_innen über Prävention von EU-weit vernetzten Formen von Rassismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Gruppenhass in Kooperation mit CIs Partnern aus europäischen Projekten und der Zusammenarbeit im Radicalisation Awareness Network statt.
Sowohl in der Arbeitsphase der Situationsanalyse als auch bei der Erprobung der Maßnahmen arbeitet Fair*in mit jeweils 2 Schulen und 2 Jugendeinrichtungen vor Ort zusammen. Um die Anbindung an den Sozialraum zu gewährleisten, wird das Projekt außerdem eng mit lokalen Netzwerken von Multiplikator_innen in den Themenfeldern Inklusion, Flucht und Prävention zusammenarbeiten (z. B. Integrationsbeauftragte, Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete, Partnerschaften für Demokratie, Zivilgesellschaft, Verwaltung etc.).
Die Modellhaftigkeit des Projekts liegt vor allem in der Entwicklung und Erprobung von neuen Formaten der Präventionsarbeit, die genderreflektierte Zugänge beinhalten und in Form von Begegnungsworkshops und Dialoggruppen umsetzen. Modellhaft ist ferner die Sozialraumorientierung von Fair*in, die Nachhaltigkeit gewährleistet und die Übertragbarkeit von Handlungsstrategien und -instrumenten in andere Regionen ansteuert.
In der über das Projekt hinausweisenden Perspektive wird unser Augenmerk besonders den längerfristig angelegten Dialoggruppen in Schulen gelten, die aus CIs Time-Out-Dialogen und der Wir-unter-uns-Gruppe entwickelt wurden. Diese Dialoggruppen können, besonders wenn sie sorgsam in den Regelunterricht einbezogen und von externen, vertraulichen Gruppenleiter_innen versorgt werden, gerade auch in rechtspopulistisch belasteten Umfeldern eine präventive und heilsame Wirkung entfalten.