KulturRäume 2010
Das Modellprojekt „KulturRäume 2010“ führte Cultures Interactive im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT“ durch. Hintergrund des Projektes waren die zunehmend gemeinwesenorientierten Strategien der rechtsextremen Kräfte, die sich gerade in vielen strukturschwachen Regionen zu einer schleichenden Kontrolle über die Gemeinwesen auswuchsen. Rechtextreme Haltungen normalisierten sich bzw. wurden in die bürgerliche Mitte integriert, zugleich traten verstärkt gewalttätige Formen des Rechtsextremismus in Erscheinung, die ganze Regionen zu dominieren und die strukturschwache Regionalentwicklung weiter zu unterminieren drohten. Immer mehr entstanden gerade für Jugendliche der betroffenen Regionen Angsträume (Gaststätten, kommunale Feste, Bahnhöfe, Marktplätze), in denen sie in Gefahr gerieten, angepöbelt oder angegriffen zu werden. Zugleich stieg der Druck auf die Jugendlichen, sich in die rechtsextreme Szene einzubringen, da Alternativangebote fehlten. Hier setzte das Projekt „KulturRäume2010“ an, um Jugendliche und junge Erwachsene in Regionen mit dominanten rechtsextremen Einflüssen bei der Herausbildung von demokratischen, menschenrechtsorientierten Haltungen und zivilgesellschaftlichem Engagement zu unterstützen.
Ablauf
Das Projekt konzentrierte sich auf Schwerpunktregionen und -orte in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Dort wurde über zwei Jahre in vier Phasen gearbeitet. In der ersten Phase wurden Impulse gesetzt und durch Projekttage und Open Space Veranstaltungen an Förder-, Regel-, Haupt-, Real-, Berufsschulen und Gymnasien sowie durch Netzwerkaufbau mit lokalen Akteuren aus Jugendarbeit, Schule, Politik, Presse und zivilgesellschaftlich interessierten Bürger/-innen Bedarfe und Nöte der Jugendlichen im Hinblick auf Rechtsextremismus- und Gewaltaufkommen ermittelt. In der zweiten Phase wurden die Jugendlichen angeleitet und begleitet, ihre eigenen Ideen und Interessen systematisch oder medial aufbereitet zu formulieren. Dies geschah mithilfe moderierter Arbeitsgruppen mit den Jugendlichen, durch zivilgesellschaftliche Bildung, Jugendkultur- und Medienworkshops sowie durch jugendkulturelle Sozialraumanalysen in Form von Rap-, Musik-, Video- und Radio-, Comic und Foto-Bearbeitung. In der dritten Phase wurde in einer Zukunftswerkstatt ein Austausch zwischen Jugendlichen und lokalen Akteur/-innen organisiert. Dies bot die Möglichkeit, gemeinsam jugendkulturelle Bedürfnisse zu formulieren, Ressourcen aufzuzeigen und Handlungsziele zu erarbeiten. Phase vier schließlich bestand in der Umsetzung der (jugend-)kulturellen Projekte, wobei im Zentrum stand, die Jugendlichen strategisch zu beraten und zu begleiten, dabei beispielsweise Fragen zu beantworten, wie sich ein Jugendparlament, der Bau eines Skateparks oder der Ausbau eines Jugendklubs realisieren lässt oder welche Möglichkeiten der Konfliktlösung es für öffentliche Plätze gibt. Zudem wurden zielgruppenspezifische Fortbildungen für Multiplikator/-innen zur Installierung eines lokalen Stützungsnetzwerkes für jugendkulturelle und zivilgesellschaftliche Strukturen angeboten.
Gelingensfaktoren
Entscheidend zum Gelingen trug zuvorderst bei, dass sich Jugendliche einbrachten, die an (jugendkulturellen) Aktivitäten Interesse hatten und mutig gegen dominante rechtsextreme Gruppierungen vorgehen wollten. Daneben konnte von noch funktionierenden Regelstrukturen, insbesondere der offenen Jugendarbeit, profitiert werden, die vor Ort im Prozess Unterstützung leisteten und als regelmäßige Ansprechpartner/-innen vor Ort fungierten. Wichtig waren auch das klare Problembewusstsein zu Rechtsextremismus zentraler Akteur/-innen in u. a. Verwaltung, Schule und Polizei und zivilgesellschaftliche Akteure / Bündnisse, die eine jugendliche Perspektive in ihr Handeln einbezogen. Besonders galt zu beachten, dass junge Menschen, insbesondere wenn sie „anders“ aussehen als eine vorgebliche Norm, in besonderer Weise von rechtsextremer Gewalt betroffen sind – ein Fakt, der von Erwachsenen, die eine andere Lebenswelt haben, sich an anderen Orten aufhalten, nicht mehr so häufig nachts öffentliche Verkehrsmittel nutzen müssen, und auch nicht zur Zielgruppe rechter Gewalt gehören, oft übersehen wird. Dies führt in einigen Fällen dazu, dass die Erfahrungen der Jugendlichen und die Form der Bedrohung, der sie ausgesetzt sind, nicht ausreichend ernst genommen werden. Hierfür müssen die Erwachsenen daher sensibilisiert werden.
Lessons Learned
Generell können Modellprojekte nur dort greifen, wo Jugendarbeit strukturell noch vorhanden ist. Sind Jugendliche gar nicht mehr gewohnt, Aktivitäten in der Gemeinschaft und im öffentlichen Raum durchzuführen, ist ihre nachhaltige Aktivierung über Modellprojekte nicht mehr möglich, viel eher besteht dann die Gefahr großer Frustration, weil die Jugendlichen gerade dann wieder alleine gelassen werden, wenn man sie mühsam für Engagement gewonnen hat. Unerlässlich für die Projekte sind gute Kooperationsvereinbarungen mit lokalen Akteuren aus Jugendarbeit und Schule. Diese setzen wiederum eine gute Vernetzung voraus, d.h. zentrale lokale Akteur/-innen müssen fundierte Kenntnis des Projekts haben und die Möglichkeit zum Austausch über Problemwahrnehmungen haben. Oftmals besteht nämlich eine Kluft zwischen lokalen und externen Akteur/-innen in der Einschätzung darüber, wie ernst bestimmte rechtsextreme Erscheinungen genommen werden müssen. Lokale Akteur/-innen neigen zur Verharmlosung und Verteidigung der Region, Akteure von außen zu einer deutlich stärkeren Problematisierung. Hier müssen gemeinsame Strategien ausgearbeitet werden, die für beide Seiten tragbar sind.