Mut vor Ort – Arbeit mit Rechten, Jungen und Mädchen
Das Projekt „Mut vor Ort“ wird von der AGJF Sachsen e.V. im Rahmen des Bundesprogramms „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ durchgeführt. Als Bundesland mit ausgeprägter neonazistischer Szene, insbesondere in Form sogenannter Freier Neonazi-Kameradschaften, sieht sich auch die sächsische Jugendhilfe in ihrem Alltag oft mit neonazistisch gefährdeten bzw. orientierten (rechtsaffinen) Jugendlichen konfrontiert. Eine geschlechterreflektierende Sicht- und Arbeitsweise ist dabei jedoch oft unterrepräsentiert, gilt Neonazismus doch oft als männliches Phänomen. Hier setzt das Projekt mit dem Ziel an, geschlechterreflektierende Arbeit als professionelles Angebot der Jugendhilfe zur Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen Einstellungen sowie in der Prävention zu etablieren.
In diesem Sinne ist geschlechterreflektierendes Arbeiten dann neonazismuspräventiv, wenn Ungleichwertigkeits- und Natürlichkeitsannahmen infrage gestellt werden.
_(Ablauf)_
Das Projekt arbeitet mit verschiedenen Standorten der Jugendhilfe in Sachsen zusammen, deren pädagogischen Fachkräfte in ihrer Arbeit mit neonazistisch gefährdeten bzw. orientierten (rechtsaffinen) Jugendlichen begleitet werden. Ziel ist es, mithilfe von Fortbildungen sowie regelmäßigen Praxisberatungen geschlechterreflektierende Ansätze im Umgang mit den Jugendlichen zu verankern.
Die Fortbildungsveranstaltungen bieten darüber hinaus auch pädagogischen Fachkräften außerhalb der Modellstandorte die Möglichkeit, sich näher über Erscheinungsweisen und Inhalte neonazistischer Ideologie, deren Geschlechter- und Familienbilder, zu informieren und gibt ihnen geschlechterreflektierende Handlungsansätze für den pädagogischen Umgang mit neonazistisch gefährdeten bzw. orientierten Jugendlichen an die Hand. Neben Beratung und Fortbildung stellt das Projekt weitere Hilfs- und Unterstützungsangebote für die Standorte bereit, z. B. finanzielle Mittel für Supervision und Aktionen sowie einen Material- und Literaturpool.
_(Gelingensfaktoren)_
Projektansatz ist die Arbeit an den konkreten Bedarfen und Problemlagen vor Ort, die zu Beginn in Interviews und Diskussionen erhoben wurden. Entscheidend für die erfolgreiche Implementierung der Ansätze war ein kontinuierliches Feedback durch die Teilnehmer/-innen, sodass Problemlagen und Bedarfe aus der Praxis aufgenommen und berücksichtigt werden konnten. Außerdem stellen die regelmäßigen prozesshaften Beratungen und Begleitungen an den Standorten über einen längeren Zeitraum, in denen die Praxis im Team reflektiert werden kann, einen wesentlichen Gelingensfaktor dar. Für uns als Team sind die geknüpften Netzwerke und der fachliche Austausch mit unseren Kooperationspartnern wichtige Punkte.
_(Lessons Learned)_
Arbeit an der Haltung der Fachkräfte benötigt Zeit und gute Rahmenbedingungen. Aus diesem Grund kommen wir vor Ort, bringen Ressourcen mit und vereinbaren einen möglichst langen Beratungszeitraum.
Die häufigen Rahmenbedingungen der Jugendhilfe im ländlichen Raum Sachsens – Stichworte: hohes Arbeitspensum und hohe Drittmittel-Bedarfe, wenig Teams bzw. Netzwerkstrukturen, viele Einzelkämpfer/-innen – nehmen wir, vor allem im Sinne der Neonazismusprävention, als hinderlich wahr.
Eine weitere Herausforderung stellt die weite Verbreitung und Akzeptanz vor allem sexistischer und homophober Einstellungen unter Jugendlichen bzw. in der Mehrheitsbevölkerung dar, sodass im Projekt in manchen Teilen gegen den „Mainstream“ agiert werden muss.