Prävention durch Selbst- und Fremdreflexion
Der Ansatz wurde vom Förderverein JVA Holzstraße e. V. im Projekt „Gefangene gegen Rechtsextremismus – Ein Theaterprojekt“ im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT.“ angewendet. Im Jahr 2007 wurde unter den Insassen der JVA Wiesbaden eine zunehmende Tendenz rechtsextremer Täterprofile und rechtsextremer Einstellungen festgestellt. Die betroffenen Insassen, selbst meist aus sozial desintegrierten von Perspektivlosigkeit geprägten Milieus, neigten dazu, unter den Mithäftlingen randständige Gruppen zu definieren, diese auszugrenzen und mitunter verbal und tätlich anzugreifen. Das Gros der Zielgruppe verfügte zudem über Gewalterfahrung als Täter und Opfer. Gerade der Strafvollzug scheint als Ort für besondere Rehabilitations- und Präventionsprojekte geeignet, da er dem Erziehungsauftrag verpflichtet ist, die Kompetenzen der Insassen zur autonomen und rechtskonformen Lebensgestaltung zu stärken. Mit dem Ansatz „Prävention durch Selbst- und Fremdreflexion“ setzte der Förderverein JVA Holzstraße e. V. an diesem Auftrag an. Der Ansatz zielte auf die Veränderung rechtsextremer Einstellungen bei einer stark gefährdeten Zielgruppe, um sie nach der Haftentlassung zu einem Leben in einer multikulturellen Einwanderungsgesellschaft zu befähigen.
Ablauf
Zentrales Anliegen des Ansatzes war es, mit den Teilnehmenden die Sicht auf den „Anderen“, die Befähigung zum Perspektivwechsel einzuüben und das eigene „Selbst“ und den „Anderen“ dabei immer wieder neu zu erfinden, um zu einer stärkeren Selbst- und Fremdreflexion zu gelangen. Der Perspektivwechsel konfrontierte die Zielgruppe dabei mit ihrer eigenen Biografie und Lebenswelt, um sie Gemeinsamkeiten und Brüche erkennen zu lassen. Indem sich die Jugendlichen mit der Konstruktion des „Eigenen“ und des „Anderen“ bezüglich Fremdheitserfahrungen auseinandersetzten, konnte ein Zugang zu den rechtsextremistischen Einstellungen gewonnen werden. Typische biografische Erfahrungen der Zielgruppe, wie Männlichkeitsrituale, Gewalt, Macht und Zukunftsängste konnten so beispielsweise mithilfe von Methoden, die auch in der Ausbildung zum Schauspieler verwendet werden, inszeniert und erfahrbar gemacht werden.
Gelingensfaktoren
Drei Faktoren waren für die erfolgreiche Umsetzung wesentlich:
- die Freiwilligkeit der Teilnahme
- ein externer Anbieter (hier: Förderverein JVA Holzstraße e. V.)
- die Kompetenz des Trägers
Für den Erfolg einer Theaterarbeit in einer JVA ist die freiwillige Teilnahme der Inhaftierten notwendige Voraussetzung. Die Jugendlichen und Heranwachsenden erleben Maßnahmen der JVA als Fremdbestimmung. Für den Erfolg der Theaterarbeit ist es jedoch unabdingbar, dass sich die Teilnehmenden als selbstbestimmt begreifen. Dies gelingt nur, wenn die Theaterarbeit nicht von der JVA und ihren Bediensteten durchgeführt wird, sondern von einem externen Träger. Wichtig ist darüber hinaus, dass die vom Träger beteiligten Personen – hier insbesondere das Theaterteam – von den Inhaftierten als kompetent angesehen werden. Für die Inhaftierten steht die Partizipation an einem erfolgreichen Theaterprojekt im Vordergrund, weniger die Teilnahme an einer pädagogischen Maßnahme.
Lessons Learned
Die inhaftierten Jugendlichen hatten zu Beginn des Projektes keine persönliche Erfahrung mit Theater gemacht. Auch hatte Theater keinen besonders hohen Stellenwert bei ihnen.
Wichtig war es daher am Anfang, die richtigen Personen für das Projekt zu gewinnen. Aus einer heterogenen Menge an Teilnehmenden musste eine Gruppe entstehen. Wichtig war es, zu Beginn der Probenarbeit klare Regeln aufzustellen in Bezug auf die Zusammenarbeit innerhalb des Teams sowie im Hinblick auf die Kommunikation mit den Mithäftlingen.
Schwierig war es, die Sicherheitsanforderungen der JVA und die spezifischen Anforderungen der Theaterarbeit miteinander zu vereinbaren. Hier mussten in Zusammenarbeit mit der JVA klare Vereinbarungen und Zuständigkeiten geschaffen werden.