Praktische Arbeit mit rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen.
Fachtagung am 18. und 19. Dezember 2008
_(Inhalt)_
Michael Kohlstruck beschreibt die Arbeit mit rechtsextrem gefährdeten Jugendlichen in einem politisierten Umfeld, das durch vier zentrale Konfliktlinien geprägt sei. Diese hätten oftmals gar nicht die konkrete pädagogische Arbeit zum Thema. So schwankt die Einschätzung der Relevanz des Problems zwischen Normalisierung, also Rechtsextremismus als ein Problem, mit dem sich alle Gesellschaften dauerhaft zu befassen hätten, und Skandalisierung im Sinne einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation. Auch zur Angemessenheit in der Wahl der konkreten Perspektive zur Bearbeitung des Problems spiegelt sich dieser Konflikt wider. Hier wird zwischen Spezialisierung auf Rechtsextremismus bspw. in Sonderprogrammen auf der einen Seite und Ganzheitlichkeit in der pädagogischen Arbeit, die Rechtsextremismus nur als eine Facette in der Arbeit mit Jugendlichen sieht, unterschieden. In der Wahrnehmung der Zielgruppe dieser Arbeit verläuft ein scheinbar unüberwindbarer Konflikt zwischen der Konstruktion eines Feindbildes „rechtsextremer Jugendlicher“ und einem differenzierten professionellen Bild der Jugendlichen als Opfer und Täter zugleich. Diese Konfliktlinien schlagen sich in der weit auseinandergehenden Formulierung der Ziele nieder und damit verbunden in der Diskussion, was die pädagogische Arbeit mit der Zielgruppe überhaupt leisten kann.
Thomas Mücke stellt in seinem Beitrag das Antigewalt- und Kompetenz-Training (AKT) des Violence Prevention Network vor. Dieses wird im Rahmen des Programms „Verantwortung übernehmen – Abschied von Hass und Gewalt“ mit gewaltbereiten und vorurteilsmotivierten Jugendlichen im Strafvollzug durchgeführt. Grundlage des Trainings ist ein akzeptierender und demütigungsfreier Ansatz; konfrontative und belehrende Elemente werden abgelehnt. Zudem ist die Teilnahme durch die Jugendlichen freiwillig. Das Programm umfasst Module zur Biografie, zu Männlichkeitskonzepten, Tataufbereitung, Cliquenarbeit, Opfer, Bildungsarbeit, Vorbereitung auf die Haftentlassung sowie Arbeit mit Angehörigen.
Um überhaupt pädagogisch mit rechtsextrem gefährdeten Jugendlichen zu arbeiten, ist es wichtig, die Ausgangslage zu kennen. Hierzu beschreibt Jan Buschbom das Phänomen „Rechtsextremismus in Berlin“ und die verschiedenen Zugänge zu rechtsextremen Szenen beispielsweise im Umfeld von Motoradclubs oder auch durch das Fußballfan- und Hooliganmilieu. Sein besonderes Augenmerk liegt auf den Herausforderungen durch die „Autonomen Nationalisten“, die als eine modernisierte Form des Rechtsextremismus auftreten. Durch den Eventcharakter des modernen Rechtsextremismus und durch Zugänge über eigentlich nicht-rechtsextreme Jugendkulturen werden Jugendliche auf einer vorideologischen Ebene angesprochen.
Peter Steger äußert sich in seinem Beitrag zu den Möglichkeiten der Jugend- und Bildungsarbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen im Sportbereich. Grundvoraussetzung hierzu sei ein Ansatz der sozialen Integration sowie eine Beziehungsarbeit mit den Jugendlichen, die jenseits von ideologischen Kampfstellungen darauf zielt, Vertrauen aufzubauen. Eine große Herausforderung stellt daher die unreflektierte Stigmatisierung der pädagogischen Arbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen dar. Er betont, dass Gruppen von Jugendlichen mit rechtsextremen Orientierungen keine monolithischen Blöcke seien, sondern sich erhebliche Differenzierungen erkennen lassen. So lassen sich jenseits des rechtsextremen Gruppenkonsens von Kameradschaftskult, Verherrlichung des „Dritten Reichs“ und aggressiver Abgrenzung von Ausländern und Minderheiten rechtsextrem orientierte Jugendliche erkennen, die durch ihre ganz eigene, individuelle Lebensgeschichte geprägt sind. Die vorgestellten Bausteine der Sportarbeit mit der Zielgruppe zielen auf eine Ich-Stärkung und eine demütigungsfreie Sozialisationskorrektur, die es den Jugendlichen ermöglichen, bisher nicht erkannte Stärken und Potenziale zu sehen.