Projekttag „Soundcheck“
Der Projekttag wird im Rahmen des Projekts „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus“ der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg durchgeführt. Ziel des Gesamtprojekts ist die Sensibilisierung für die Gefahren, die von rechtsextremistischen und islamistischen Argumentationen und den Propagandainstrumenten der beiden Szenen ausgehen. „Soundcheck“ richtet sich an Einrichtungen der schulischen und außerschulischen Jugend- und Bildungsarbeit in Baden-Württemberg und fokussiert die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus anhand rechtsextremer Musik. Zentrales Anliegen hierbei ist es, Schulen in der Rechtsextremismusprävention zu unterstützen. Gerade im Umgang mit rechtsextrem gefährdeten und orientierten Jugendlichen fehlen in der Schule oftmals Ressourcen oder die notwendige Qualifizierung des Personals.
_(Inhalt)_
Der Projekttag wird in verschiedenen, aufeinander aufbauenden Bausteinen umgesetzt. Dabei wird bewusst ein Zugang gewählt, der das Thema Rechtsextremismus anfangs vermeidet. So wird in der Übung „Musik und ich“ die persönliche Einstellung der Schüler/-innen zum Thema „Musik“ abgefragt. Hier werden vorgegebene Satzanfänge mit eigenen Worten vervollständigt. In einer zweiten Übung wird anhand von nicht-rechtsextremen Liedtexten erarbeitet, welche politischen Botschaften Musik transportiert und welche Wirkung sie erzielt.
Erst nach gut einer Stunde wird das Thema Rechtsextremismus aufgegriffen. Hier wird den Schüler/-innen Wissen über rechtsextreme Musik vermittelt und ein Zitat des rechtsextremen Musikers Ian Stuart Donaldson zur Diskussion gestellt. Hier bietet sich auch erstmalig die Möglichkeit, mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, wenn diese ihr Wissen über Donaldson kundtun oder das Zitat verteidigen.
Der zentrale Baustein des Konzeptes ist ein alltagsnahes Rollenspiel. Hier wird eine Schülerratssitzung simuliert, bei der diskutiert wird, ob eine vermeintlich rechtsextreme Band bei einem Schülerbandwettbewerb auftreten darf. Die Schüler/-innen nehmen dabei verschiedene vorgegebene Rollen und Haltungen ein, die sie im Laufe des Rollenspiels vertreten sollen. Sie haben hier die Möglichkeit, Meinungen und Ansichten auszuprobieren und argumentativ zu vertreten. Neben dem Erlernen demokratischer Grundkompetenzen sollen durch den Perspektivwechsel besonders rechtsextrem gefährdete und orientierte Jugendliche angeregt werden, vermeintlich harmlose rechtsextreme Einstellungsmerkmale zu reflektieren.
In einem abschließenden Baustein greift der Projekttag die Frage auf, wie rechtsextreme Einstellungen in rechtsextreme Gewalt münden. Hier wird gezielt die Opferperspektive eingenommen und auf Förderung von Empathie bei den Jugendlichen gesetzt. Gerade bei rechtsextrem orientierten Jugendlichen stößt dieser Baustein jedoch oft an seine Grenzen, wenn Vorstellungen von Ungleichwertigkeit bereits internalisiert sind.
_(Gelingensfaktoren)_
Für das Gelingen des Projekttages ist es wichtig, einen geschützten Raum anzubieten, in dem die Jugendlichen Entscheidungen ausprobieren und auch problematische Einstellungen artikulieren können. Kein Jugendlicher wird dabei genötigt, sich zu positionieren. Grundvoraussetzung, damit die Jugendlichen sich überhaupt mit ihren Meinungen öffnen, ist jedoch ein wertschätzender und respektierender Zugang, der zwischen Person und Haltung unterscheidet.
In der ersten Stunde des Projekttages wird bewusst auf das Thematisieren von Rechtsextremismus verzichtet. Über das unverfängliche Thema Musik wird Gesprächsbereitschaft bei den Jugendlichen und eine prinzipielle Offenheit erzeugt und anfängliche Abwehrhaltungen werden überwunden.
_(Lessons Learned)_
Das Ausprobieren von Rollen und Meinungen wird als Chance gerade auch für rechtsextrem orientierte Jugendliche gewertet. Allerdings verbirgt sich hier laut Einschätzung der Projektverantwortlichen auch die Gefahr, dass die Jugendlichen in ihrer Rolle ihre eigenen, problematischen Denkweisen verbergen. Es kann passieren, dass rechtsextrem gefährdete oder orientierte Jugendliche eine Rolle erhalten, die ihrer eigenen Meinung zumindest teilweise entspricht. Ein Perspektivwechsel ist dann nur schwer möglich.
Die Auseinandersetzung mit den Botschaften in rechtsextremen Liedtexten weckt gerade bei rechtsextrem gefährdeten und orientierten Jugendlichen unterschiedliche Reaktionen. Während einige hier einen Erkenntnisgewinn artikulieren, probieren sich andere in einer Rechtfertigung oder gehen in eine prinzipielle Abwehrhaltung. Hier zeigen sich deutlich die Grenzen eines singulären Projekttages in der Rechtsextremismusprävention. Daher will das Projekt auch zur prinzipiellen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in schulischen Kontexten anregen und bietet Multiplikatorenschulungen an.