Solange die sich im Klassenzimmer anständig benehmen
Politiklehrer/innen und ihr Umgang mit rechtsextremer Jugendkultur in der Schule
_(Inhalt)_
Ausgangsthese der Arbeit ist, dass politische Bildung meist als eine an Fakten orientierte Wissensvermittlung verstanden wird. Diese Praxis politischer Bildung geht jedoch an den Weltdeutungen insbesondere rechtsextrem orientierten Schüler/-innen vorbei. Zudem konstatiert Behrens, dass es zwar eine Fülle an Materialien für die schulische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus gibt, diese aber vor allem zur Arbeit mit so genannten „Normaljugendlichen“ gedacht ist. Für die schulische politische Bildung mit rechtsextrem orientierten Schülern lägen dagegen nur wenig Materialien und Erfahrungen vor. Wie schulische politische Bildung angemessen auf rechtsextrem orientierte Schüler/-innen reagieren kann, darin liegt das zentrale Erkenntnisinteresse der Arbeit.
Der Dissertation ist eine Einführung vorangestellt, in der rechtsextreme Erscheinungsformen und rechtsextreme Jugendkultur, pädagogische Strategien zum Umgang mit dieser sowie grundsätzliche konzeptionelle Ansätze politischer Bildung vorgestellt werden. Den Kern der empirischen Untersuchung bilden leitfadengestützte Interviews mit Politiklehrer/-innen, die aufgrund ihres fachlichen Fokus besonders herausgefordert sind. Zentrale Forschungsfragen waren dabei: Welche Handlungsstrategien nutzen sie, um mit rechtsextremer Jugendkultur umzugehen, und welche Rolle spielen dabei die kognitiven Deutungsprozesse der Lehrpersonen? Auf Grundlage der Interviews konnte Behrens vier idealtypische Handlungsstrategien im Umgang mit rechtsextrem orientierten Schüler/-innen unterscheiden. Diese sind unter den Überschriften „Auseinandersetzung vermeiden – Sicherheit gewinnen“, „Auseinandersetzung suchen – klare Fronten schaffen“, „Auseinandersetzung eingehen – Mehrheiten organisieren“ sowie „Auseinandersetzung kalkulieren – Einfluss gewinnen“ charakteristisch zusammengefasst. Unabhängig von der jeweils konkret gewählten Strategie zielte das Handeln der Lehrer/-innen jeweils auf eine „individuellen Bewährung“ ab, d. h. auf das Gefühl, die Situation angemessen gemeistert zu haben.
Anschließend diskutiert Behrens die Grenzen von drei klassischen Handlungsstrategien im Umgang mit rechtsextrem orientierten Schülern. So ziele klassische Aufklärungsarbeit über das Phänomen Rechtsextremismus auf die Immunisierung von „Normaljugendlichen“. Rechtsextrem orientierte Jugendliche reagieren hierauf erfahrungsgemäß entweder mit explizitem Widerstand oder mit Rückzug. Die Strategie der Demonstration von Überlegenheit und des konsequenten Zurückweisens und Widersprechens rechtsextremer Einstellungen als zweite Strategie wird mit der Vorbildfunktion der Lehrenden begründet. Diese Vorbildfunktion zielt jedoch ebenfalls auf die „Normaljugendlichen“. Gegenüber rechtsextrem orientierten Schüler/-innen kann dies jedoch zu ritualisierten Verhaltensweisen oder zum Kontaktverlust führen. Drittens nennt Behrens pädagogische Ansätze, die als schulische Variation Akzeptierender Jugendarbeit auf eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Schüler/-innen mit rechtsextremer Orientierung und Lehrer/-innen setzen. Er diskutiert dabei, inwiefern politische Bildung an Kontur verliert, wenn sie sich stärker an sozialpädagogischer Lebenshilfe orientiert.
Abschließend werden Faktoren für eine gelingende schulische Auseinandersetzung mit der Zielgruppe rechtsextrem orientierter Schüler/-innen genannt. Hierzu zählen fundiertes Hintergrundwissen der Lehrenden ebenso wie eine auf Offenheit zielende Atmosphäre im Kollegium, die Unterstützung durch Vorgesetzte, aber auch die Vernetzung zu außerschulischer politischer Bildung und Jugendsozialarbeit. Dabei wird eine Reflexionsmatrix vorgestellt, die Lehrer/-innen dabei hilft, eigene Verhaltensweisen angesichts rechtsextremer Schüler/-innen zu reflektieren.