Theaterarbeit mit Strafgefangenen
Die Methode wurde vom Förderverein JVA Holzstraße e. V. im Modellprojekt „Gefangene gegen Rechtsextremismus – Ein Theaterprojekt“ im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT“ angewendet. Im Jahr 2007 wurde unter den Insassen der JVA Wiesbaden eine zunehmende Tendenz rechtsextremer Täterprofile und rechtsextreme Einstellungen festgestellt. Die betroffenen Insassen, selbst meist aus sozial desintegrierten von Perspektivlosigkeit geprägten Milieus, neigten dazu, unter den Mithäftlingen randständige Gruppen zu definieren, diese auszugrenzen und mitunter verbal und tätlich anzugreifen. Das Gros der Zielgruppe verfügte zudem über Gewalterfahrung als Täter und Opfer. Gerade der Strafvollzug scheint als Ort für besondere Rehabilitations- und Präventionsprojekte geeignet, da er dem Erziehungsauftrag verpflichtet ist, die Insassen zur autonomen und rechtskonformen Lebensgestaltung zu befähigen. Hier setzte das Projekt an.
Ablauf
Sinn der Methode ist, mit den Gefangenen neue Handlungsräume spielerisch zu erproben, damit sie diese während der Haft und nach der Haftentlassung handlungswirksam umsetzen können. Dazu werden zunächst gemeinsam mit den Teilnehmenden Theaterstücke ausgewählt und den persönlichen Erfahrungen und Lebenswelten der Gefangenen entsprechend inhaltlich angepasst. Die Teilnehmenden sind Schauspieler und Probanden zugleich. Aufbauend auf der Thematik des theaterpädagogischen Geschehens werden sie mit eigenen biographischen Gegebenheiten (z. B. einschlägigen Täter-Opfer-Erfahrungen) konfrontiert, die einen weitergehenden persönlichen Reflexionsprozess anstoßen sollen. Zugleich können auch Auseinandersetzungen mit historischen und politischen Geschehnissen (Nationalsozialismus, Völkermord etc.) einfließen. Daraus entwickelt sich das letztlich aufzuführende Theaterstück dynamisch und immer anhand der persönlichen Erfahrungen und Kenntnisse der Teilnehmenden. In Proben wird das Stück vorbereitet, wobei die Teilnehmenden in der spielerischen Umsetzung durch ein professionelles Theaterteam (Regisseur/-in, Schauspieler/-in, u. a.) angeleitet werden.
Gelingensfaktoren
Damit sich die Gefangenen auf Verhaltensweisen einlassen können, die zumindest für eine JVA ungewöhnlich sind, bedarf es klarer Absprachen. So darf das Team, das mit den Gefangenen gemeinsam für das Theaterstück übt, nicht zum Kreis der Bediensteten der JVA gehören, damit die Verhaltensweisen während der Proben nicht in die Beurteilung der Gefangenen einfließen können. Die Freiwilligkeit der Teilnahme ist unerlässlicher Gelingensfaktor. Das Programm sollte nicht nur in der Freizeit durchgeführt werden, sondern in seiner Bedeutung der normalen Arbeit, Ausbildung oder Schule gleichgestellt sein.
Lessons Learned
Da die Übungen und Proben im Allgemeinen während der Arbeits- und Schulzeit stattfinden, müssen klare Absprachen mit der Leitung der JVA, den Ausbilder/-innen und der Schulleitung getroffen werden. Auch im Bereich der Sicherheit sind verbindliche Vereinbarungen unabdingbar. Um notwendiges Material (z. B. Technik) in die JVA mitnehmen zu können, sind im Vorfeld Einlassgenehmigungen zu beantragen.